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Fotoprobe für die Oper "The Great Gatsby" nach F. Scott Fitzgerald in der Semperoper in Dresden.

© dpa

"Die Straße der Pfirsiche" von F. Scott Fitzgerald: Die Treulosigkeit der Zeit

Als alles nicht mehr so war wie früher: F. Scotts Fitzgeralds Reisereportage "Die Straße der Pfirsiche", zum 75. Todestag des Schriftstellers erstmals auf Deutsch.

Sie waren das Glamour-Paar der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts, der sogenannten Roaring twenties - und ihr Leben und Schreiben übt auch fast hundert Jahre später noch eine große Faszination aus: Der Schriftsteller F. Scott Fitzgerald, der am 21. Dezember 1940 in Hollywood an den Folgen seines Alkoholismus starb, und seine Frau Zelda, die 1948 bei einem Brand in einer Nervenklinik ums Leben kam. Zudem scheint es immer wieder Neues zu geben, das sich von Ihnen oder über sie zu veröffentlichen lohnt: Biografien, Briefe („Lover!“, erschien 2004 auf Deutsch), ihre Beziehungsgespräche beim Psychiater („Wir waren furchtbar gute Schauspieler“, 2014 als Hörbuch) oder auch Geschichten von F. Scott Fitzgerald, die zu seinen Lebzeiten abgelehnt worden waren, so wie die Erzählung „Thank You For The Light“, die erstmals 2012 im „New Yorker“ erschien.

Auch die nun zum ersten Mal ins Deutsche übersetzte Reisegeschichte „Die Straße der Pfirsiche“ wurde von diversen Zeitschriften, für die Fitzgerald oft schnell und viel schrieb, zunächst abgelehnt. Sie erschien erst 1924, zwei Jahre, nachdem Fitzgerald sie verfasst hatte, in „Motor“, einem entlegenen Auto-Magazin. Fitzgerald erzählt hier von einer Reise, die er und Zelda im Juli 1920 mit ihrem „Rolling Junk“ unternahmen, einem Auto, das mehr Schrotthaufen als zuverlässiges Gefährt war. Ganz spontan wollten sie nach Montgomery, Alabama, in Zeldas Heimat, zu ihren Eltern, wegen der Pfirsiche und der Biscuits, die zu der Zeit nur hier in Alabama die Leute zum Frühstück aßen, "wodurch sie sehr schön und freundlich und glücklich wurden".

Die Erzählung hat etwas von einer Screwball Comedy

Im Gegensatz zu dieser Spontaneität hat Fitzgerald, der mit seinen Romanen "Diesseits vom Paradies" und "Die Schönen und die Verdammten" schon ein erfolgreicher Schriftsteller war, seinen Bericht durchaus mit Bedacht und Hintersinn geschrieben: schlank und professionell liest er sich, ironisch, auch als Selbstparodie, an eine Screwball Comedy erinnernd. Wenn gleich "Die Straße der Pfirsiche" auch entlarvend ist, denn sympathisch kommt das Paar nicht immer rüber. Vor allem, weil Fitzgerald ein ausgewachsener Rassist war, der sich tief im amerikanischen Süden "Schreckensbilder von blutrünstigen Negern, die sich in den bodenlosen Sümpfen verbargen" ausmalt. Oder der bei einem Stopp an einem Laden kurz vor Richmond gesteht: "Nur so viel weiß ich - der Raum war proppenvoll mit Negern, deren moralische und physische Aura mich abstieß und einschüchterte." Auch Zelda nervt hin und wieder mit ihren Gespreiztheiten und Ansprüchen, die sich nicht zuletzt beider Jugend verdanken, ihrem Hedonismus und dem Bewusstsein, etwas Besonderes zu sein. Wobei natürlich niemand gern ein Stück Zunge in seinem Hotelzimmer auf dem Teppichboden liegen sieht, wie Fitzgerald wahrheitsgemäß? erzählt, das darf man dann wie Zelda schon einmal als "absolut scheußlich" bei der Rezeption monieren.

Manchmal war ihr Leben größer als ihre Literatur

Wirklich aufregend und über die Maßen kurzweilig ist dieser Roadtrip mit den vielen Autopannen allerdings nicht gerade, eher vorhersehbar, da kann Fitzgerald noch so viel darüber fabulieren, wie auf ihrer Fahrt "ein Ereignis das andere gejagt" hatte, "bis zu dem Höhepunkt, dem einsamen Wegelagerer im Sumpf". Trotzdem ist diese Fahrt, dieses On-The-Road-sein des Glam-Pärchens etwas Besonderes, allein der zurückgelegten Strecke von fast 2000 Kilometer halber, im Jahr 1920! Durch mehrere Bundesstaaten der USA führt die Reise, unter anderem durch Virginia, North Carolina, South Carolina und Georgia, deren Besonderheiten, deren unterschiedliche Straßenbeschaffenheit oder gerade auch Lichtverhältnisse Fitzgerald gleichfalls schildert, quasi als Randbemerkungen zu den diversen Malaisen des Rolling Junk, der praktisch in jedem Staat in irgendeiner Reparaturwerkstatt notdürftigst auf Vordermann gebracht wird.

Francis Scott Fitzgerald, 1926, im Alter von 30 Jahren.
Francis Scott Fitzgerald, 1926, im Alter von 30 Jahren.

© AFP

"Die Straße der Pfirsiche" zeichnet viel Symbolcharakter für das unstete Dasein der Fitzgeralds schon zu ihren Beziehungsanfängen aus, nachdem sie sich im Country-Club von Montgomery im Sommer 1918 kennengelernt hatten; für ihre Risikobereitschaft, dafür, wie sie auf Gedeih und schließlich vor allem ihr Verderben aufeinander angewiesen waren.

Kurz vor Montgomery beginnt Zelda zu weinen

Dazu passt, dass der Verlag Zelda Fitzgeralds 1934 erstmals erschienene autobiografische Erzählung "Führen Sie Mr. und Mrs. F. zu Zimmer Nr.-" ebenfalls mit in den Band aufgenommen hat. Darin erinnert sich Zelda, die zu der Zeit schon diverse Psychiatrie-Aufenthalte hinter sich hat, an die vielen, vielen Hotelbesuche auf ihren Reisen im einzelnen, gerade später in Europa, aber auch auf der Alabama-Tour. Es sind Momentaufnahmen des vergangenen Glücks, die sie hier macht, von einer durchlaufenden Erzählung kann keine Rede sein. Doch weist dieser Text darauf hin, wie das Leben der Fitzgeralds manchmal größer erschien als die Literatur, die daraus resultierte, mehr noch natürlich in Zeldas als in Scotts Fall (wenn gleich dieser vor allem immer wieder ihre Beziehung und deren Kaputtness als Modell für seine Geschichten heranzog).

Die Melancholie über das Vergehen der Jugend, des Liebesglücks, der Zeit überhaupt, sie durchzieht hie und da auch schon "Die Straße der Pfirsiche" und bricht sich endgültig Bahn, als die Fitzgeralds Zeldas Elternhaus erreichen, mit einem batterielosen Rolling Junk, und dabei eine ziemliche Überraschung erleben. Schon kurz vor Montgomery, als sie durch die Gegenden ihrer Heimat kommt, beginnt Zelda zu weinen, was Fitzgerald zu einem Satz verleitet, für den allein sich die Lektüre dieses Buches lohnt, eines Satzes, der seine Größe demonstriert und genau so gut in "Der große Gatsby" oder "So zärtlich ist die Nacht" stehen könnte: "Sie weinte, weil alles wie früher war und zugleich nichts war wie früher. Sie weinte wegen ihrer Treulosigkeit und wegen der Treulosigkeit der Zeit.“

F. Scott Fitzgerald: Die Straße der Pfirsiche. Herausgegeben und übersetzt von Alexander Pechmann. Aufbau Verlag, Berlin 2015. 157 Seiten, 16, 95 €

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