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Internationale Marke. Der Hamburger Bahnhof ist populär. Das einstige Flaggschiff der Nationalgalerie, der Mies van der Rohe-Bau, umgibt immer noch ein Bauzaun, die Sammlung verschwand während der Sanierung bis auf Ausnahmen im Depot.

© dpa / J. Kalaene

Die Staatlichen Museen unter Druck: Mehr Geld, mehr Personal, mehr Autonomie

Für die sechs Häuser der Nationalgalerie müssen die im Evaluierungsgutachten geforderten Reformen schneller greifen.

Das Evaluierungsgutachten kam für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz einem Donnerschlag gleich, jetzt aber soll Musik daraus werden. Stiftungspräsident Hermann Parzinger setzt den Ton. Er nimmt die Kritik an den Staatlichen Museen zwar an, gibt sie aber gleichzeitig an die Politik weiter. Sie müsse jetzt handeln, sagt er, um die Reformen überhaupt erst zu ermöglichen. Vor allem der Finanzminister müsse den Museen mehr Budget zur Verfügung stellen, damit sie größere Handlungsfreiheit gewinnen und ihre Häuser zum Strahlen bringen.

Ganz mag man nicht glauben, dass darin das größte Defizit der Staatlichen Museen bestehen soll. Warum kommt der Veränderungsprozess erst jetzt in Gang? Die Probleme sind seit vielen Jahren bekannt, es wurde trotzdem immer mehr und größer gebaut, ohne entsprechende Anpassung der personellen und finanziellen Ausstattung. Drohten zunächst die Häuser auf der Museumsinsel zu verfallen, machen nun die Gebäude der Nachkriegsmoderne in West-Berlin eine Sanierung erforderlich.

Von 100 beantragten Stellen wurden 8,5 genehmigt

Das hätte man nicht vor aller Augen in der Hauptstadt kaputt gehen lassen können, wirbt Parzinger um Verständnis. In Steine wurde also investiert, weniger in Manpower. Von den für 2020 rund 100 beantragten Stellen bestätigte die Kulturstaatsministerin zwar 75 als erforderlich. Das Finanzministerium aber genehmigte nur 8,5 Stellen.

So steht das Haus Bastian – vor knapp einem Jahr als Zentrum für kulturelle Bildung eröffnet – zwar mit allem nötigen Equipment da, nur ohne festes Personal. Die Belegschaft hangelt sich seitdem von Projekt zu Projekt, von Antrag zu Antrag.

Dieses Dilemma könnte auch Folgen für die nächsten Neuberufungen haben, die in Kürze erfolgen. Nicht nur die Nachfolge von Udo Kittelmann, dem Direktor der Nationalgalerie, der im Oktober geht, muss geregelt werden, auch für die Generaldirektorin der Staatsbibliothek und den Leiter des Instituts für Musikforschung stehen Neubesetzungen an. Erst mit der Präsentation des Gutachtens sollten die Ausschreibungen veröffentlicht werden, damit die Aspiranten wissen, worauf sie sich einlassen, welche Strukturveränderungen auch auf sie zukommen.

Aber lässt sich das Ruder so schnell rumreißen, dass es für sie bereits besser wird? Schon unkt die Kunstszene, dass sich für den Posten des Nationalgaleriedirektors wohl kaum große Namen finden lassen. Der einst prestigeträchtige Job hat zuletzt gelitten, auch wenn Kittelmann den Hamburger Bahnhof als internationale Marke prägen konnte.

Der Stiftungsrat trifft sich im August zu einer Sondersitzung

Bleibt es also erst einmal beim Alten? Für die Umsetzung der geforderten Reformen sind drei bis fünf Jahre genannt. Eine Perspektive gibt es: Am 19. August trifft sich der Stiftungsrat zu einer Sondersitzung, auf der die Museen das wichtigste Thema sind. Erst dann sollen nun die Ausschreibungen rausgehen.

Mit einer Benennung der Kittelmann-Nachfolge ist vor nächstem Sommer demnach kaum zu rechnen. So lange führt Joachim Jäger, Leiter der Neuen Nationalgalerie, kommissarisch die Geschäfte – zusammen mit Gabriele Knapstein vom Hamburger Bahnhof und Ralph Gleis von der Alten Nationalgalerie.

Auf der Stiftungsratssitzung im August aber sollen Vorschläge der Direktoren gesammelt werden, was sie sich für die Zukunft wünschen, wie viel Entscheidungsfreiheit sie brauchen, welche Erwartungen sie an die zentrale Verwaltung haben, die bisher alles zu überwölben schien. In Anlehnung an Kafka wird sie auch „Das Schloss“ genannt, ein gewaltiger bürokratischer Apparat, der alle Initiativen absorbiert. Sie soll sich nun zur Serviceeinrichtung für die Direktoren entwickeln und beratend tätig sein, nicht länger als Kontrollmedium.

Statt glorioser Zukunft eher unsichere Zeiten

Wie aber geht es weiter für die Nationalgalerie, die vor gewaltigen Veränderungen steht? Noch wird der Mies van der Rohe-Bau saniert, seine Wiedereröffnung ist nun für 2021 vorgesehen. Noch ist auf der benachbarten Baustelle für das geplante Museum des 20. Jahrhunderts, auf der pompös der erste Spatenstich zelebriert wurde, kein Bagger aufgefahren.

Die Rieck-Hallen neben dem Hamburger Bahnhof aber werden nächstes Jahr abgerissen, Flick zieht damit seine Sammlung ab. Und um das Hauptgebäude wird mit dem Eigentümer, einer Wiener Immobiliengesellschaft, immer noch gerungen, damit es als Museum der Gegenwart gesichert ist. Das klingt nach unsicheren Zeiten, nicht nach einer gloriosen Zukunft, die ein ambitionierter neuer Direktor, besser noch: Direktorin, gerne einleiten würde.

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Und doch könnte es werden. Ein gutes Team, auf das auch Kittelmann immer zählen konnte, steht bereit. Das Gutachten könnte für die Nationalgalerie und alle anderen Ausstellungshäuser der Befreiungsschlag sein, endlich unabhängiger zu agieren und auch auf eigene Rechnung zu arbeiten.

Gute Ideen für Merchandising gibt es genug. Nur dümpelte dieser Sektor vor sich hin, denn die Museen durften die Einnahmen bislang nicht behalten. Warum sich engagieren, wenn das verdiente Geld anschließend etwa in die Sanierung des Pergamonaltars wandert, fragten sich die frustrierten Kuratoren. Auch hier muss sich etwas ändern, will man Ideenbringer nicht vergraulen.

Kittelmanns Nachfolger muss Mut haben

Wo bleiben die glanzvollen Ausstellungen, die Berlin zum Ziel für ein internationales Publikum machen? Was ist umgekehrt aus Kooperationen mit den großen Museen in Paris und London, dem Centre Pompidou und der Tate, geworden? Warum blieb die Sammlung der Nationalgalerie während der Sanierung des Mies van der Rohe-Baus zu Hause im Depot statt auf Reisen zu gehen und den Ruf der Sammlung zu mehren?

Es braucht jemand Mutigen, sagt Stiftungspräsident Parzinger, als neuen Chef, neue Chefin für die Nationalgalerie mit ihren sechs Häusern: Neue und Alte Nationalgalerie, Hamburger Bahnhof, Berggruen-Museum, Sammlung Scharf-Gerstenberg und Friedrichswerdersche Kirche (die Udo Kittelmann noch wiedereröffnen wird).

Am Wirken seines Nachfolgers, seiner Nachfolgerin wird man am ehesten ablesen können, was sich mit dem Evaluierungsgutachten für die Staatlichen Museen geändert hat, ob die angestrebten Reformen auch greifen.

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