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Uwe Tellkamp 2008 bei der Verleihung des Deutschen Buchpreises für "Der Turm"

© picture-alliance/ dpa

Die Rechten und die Meinungsfreiheit: Tellkamp kann nicht nur Applaus erwarten

Von wem ist der Schriftsteller Uwe Tellkamp "verurteilt" worden? Wer hat ihm Ohrfeigen verteilt? Zu einem Ritual, das jedwede Kritik an Meinungsäußerungen per se verbietet. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerrit Bartels

So, da ist nun vergangene Woche wieder einmal ein tapferer, aufrecht seine einer rechten Partei durchaus nahekommende Meinung kundtuender Mann, ein bedeutender, preisgekrönter Schriftsteller überdies, „verurteilt“ worden. Und klar, von den „Mainstream-Medien“, vom „linksliberalen Lügenkartell“, von den Kommentatoren aus ihren „Gesinnungskorridoren“.

Uwe Tellkamp heißt dieser Mann, er stammt aus Dresden, und er hat in einer Diskussion mit seinem Schriftstellerkollegen Durs Grünbein unter anderem gesagt, dass mehr als 95 Prozent der nach Deutschland Geflüchteten nicht vor Krieg und Verfolgung fliehen, sondern um in die deutsche Sozialsysteme „einzuwandern“. Und es war Tellkamps sächsischer CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer, der meinte, ihm nach der Diskussion und der nachfolgenden Debatte beispringen zu müssen. Kretschmer sprach von einer „Verurteilung“ des Schriftstellers, einer „schon wieder beginnenden Stigmatisierung“.

Ach so, muss hier jetzt nochmal polemisch gefragt werden: Verurteilt? Stigmatisiert? Nur weil man mit Tellkamp womöglich nicht einer Meinung ist, man seine Äußerungen durchaus als AfD- und Pegida-nah bezeichnen darf? Äußerungen, die er bei allem Bemühen nicht immer belegen konnte und wollte, so wie die Zahl 95 Prozent, sondern die mitunter aus einer Stimmung heraus so dahingeraunt waren? Tellkamp hat seine Meinungen kundgetan, zwei Stunden lang, öffentlich, mit Grünbein als Widerpart. Und er wird dafür kritisiert, ja, er muss dafür kritisiert werden dürfen, darf nicht nur Beifall erwarten, genau wie Grünbein – und muss diese Kritik aushalten können. Selbst dass sein Verlag, Suhrkamp, mit ihm nicht einer Meinung ist, wie ungeschickt Suhrkamp mit der sofortigen Distanzierung auch gewesen sein mag.

Wollte Tellkamp auch ausdrücken, wie mutig er gesprochen hat?

Nur zeigen weinerliche Reaktionen wie die von Kretschmer, dass es inzwischen zu einem Ritual geworden ist, nach Kritik an den Rechten und der AfD sowie denen, die dieser Partei und ihrer Politik nahestehen, lauthals Formeln wie „Unterdrückung der Meinungsfreiheit“, „das Ende der Debattenkultur“ und, wie Tellkamp das auch getan hat, die einer „Gesinnungsdiktatur“ in den Diskussionsraum zu stellen. Ein Ritual, das sich jedwede Kritik gleich vorab verbittet. Tellkamp sagt seine Meinung vor fast tausend Leuten, sie wird diskutiert, im Wortlaut auf Youtube gestellt und nachgedruckt. Der Schriftsteller meint aber gleichzeitig, in Dresden auf dem Podium, er könne sie nicht sagen, er bekomme dafür im selben Moment Ohrfeigen? Als gehöre besonderer Mut dazu, hier nun frei sprechen zu können.

Das ist eine seltsame Verdrehung. Meinungsäußerungen verlangen nicht nur nach Applaus, sondern auch nach anderen Ansichten. Zudem sind Meinungen das eine, die Wahrheit das andere. Woher hat Tellkamp seine 95 Prozent? Diese Verdrehung wird auch in den kommenden Tagen – Tellkamps Auftritt in Dresden und Kretschmers Reaktion waren da nur der Prolog – zu beobachten sein. Auf der Leipziger Buchmesse, die Mittwochabend eröffnet wird, haben wieder mehrere rechte Verlage ihre Stände, das war in den vergangenen Jahren immer so, warum auch nicht? Kein Buchmessendirektor hat bisher daran gedacht, ihnen die Teilnahme zu verweigern.

Nur muss niemand das gut finden. Muss niemand gut finden, dass einem wegen Volksverhetzung rechtskräftig verurteilten Autor wie Akif Pirincci hier ein Forum gegeben wird. Wenn aber Initiativen wie „#Verlage gegen rechts“ dagegen protestieren, heißt es wieder, die Meinungsfreiheit sei nicht gewährleistet, ja, die gesamte Buchmesse sei gar "links". So hat das die Zeitung „Junge Freiheit“ suggeriert, die ihren geplanten Leipzig-Auftritt zurückzog, weil die Messe sie mit ihrem Stand in einem „rechtsextremen Block“ unterbringen wollte. Was wohl die Schriftsteller und Schriftstellerinnen aus dem diesjährigen Buchmessen-Gastland Rumänien, gerade die schon im Rumänien der achtziger Jahre publiziert haben, von diesen Klagen und den imaginären Ohrfeigen für Uwe Tellkamp halten?

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