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Der Kabarettist Dieter Nuhr auf der Bühne.

© Henning Kaiser/dpa

Die Rassismustheorie des Dieter Nuhr: „Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten“

Der Kabarettist Dieter Nuhr bezichtigt die Schwarze Autorin Alice Hasters des umgekehrten Rassismus. Hätte er doch mal ihr Buch gelesen. Ein Kommentar.

Er hat es sich in dieser Rolle gemütlich gemacht. Der Kaberettist Dieter Nuhr bleibt der ewige Rebell gegen die Political Correctness. Dazu reicht es ihm längst nicht mehr, seinen altbackenen Humor zu verbreiten. („Wenn unsere Kinder meinen, wir können diese Welt mit ein bisschen Sonne und Wind antreiben, dann sollten wir Eltern ihnen ein Hamsterrad mit Dynamo ins Kinderzimmer stellen“)

Nein, er unterzeichnete unlängst auch gemeinsam mit Rechtskonservativen wie Peter Hahne oder Vera Lengsfeld den „Appell für freie Debattenräume“, der sich gegen eine vermeintliche „Cancel Culture“ in Deutschland richtet.

Nun legte er nach. Bei einem Auftritt in seiner ARD-Sendung am vergangenen Donnerstag hatte Nuhr erklärt, er habe das Buch „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ von Alice Hasters am Flughafen gesehen. Dieser Titel sei „reißerisch“ und „rassistisch“, weil er Weißen auf Grund ihrer Hautfarbe automatisch Rassismus unterstelle.

In den USA sei das Buch „ein Riesenrenner“ gewesen: „Diese Form der Scheinintellektualität einer arroganten Linken ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass es so etwas wie Donald Trump geben konnte.“

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Die unfreiwillige Pointe ist nun, dass dieses Buch nie in den USA erschien und nicht einmal ins Englische übersetzt wurde. Beeindruckend, wie Nuhr offensichtliche Stereotype zur besten Sendezeit reproduziert: Alice Hasters? So heißt doch niemand in Deutschland. Ein weitere unfreiwillige Pointe ist die, dass er das Buch anscheinend nicht gelesen hat. Sonst hätte er erfahren, dass Hasters argumentiert, alle Menschen seien rassistisch sozialisiert, aber Weiße auf Grund des Rassismus gesellschaftlich privilegiert. Und, dass sie unter „Weiß“ keinen biologischen Fakt, sondern ein soziales Konstrukt versteht.

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„Ideologisierter akademischer Prozess“

Hasters „Scheinintellektualität“ hat übrigens auch die Bundeszentrale für politische Bildung überzeugt, die das Buch in ihre Schriftenreihe aufnahm. Aber Nuhr will sich in seinem zur Schau gestellten Antiintellektualismus ohnehin nicht mit dem „ideologisierten akademischen Prozess“ der letzten Jahre abgeben, wie er später auf Facebook mitteilte. Seine Verwendung des Begriffs Rassismus sei stattdessen diejenige des „Umgangssprachlichen“. Mit anderen Worten: Bitte nicht ein bewährtes Weltbild mit neuen Erkenntnissen erschüttern!

Man kann durchaus über Hasters’ Thesen diskutieren, aber einer Schwarzen Autorin auf Grundlage eines Buchcovers Rassismus zu unterstellen, ohne sich mit ihren Gedanken auseinanderzusetzen, ist schlicht ignorant. Auf seiner Facebook-Seite ruderte Nuhr in den vergangenen Tagen halbherzig zurück, entschuldigte sich für einige Unwahrheiten. Sprach dann aber wieder lieber von der „sozialistischen Ideologisierung“ und einen „den einfachen Menschen mit seinen Ängsten verachtenden Diskurs“. Schließlich beteuerte er, dass er natürlich "keinesfalls ein Rassist" sei.

Traurig genug, dass ein Komiker seine missratenden Pointen erklären muss. Aber letztlich ist es eine Entscheidung, die Nuhr trifft. Er sieht lieber das "polarisierende Skandalisieren zum Zwecke der Verkaufsförderung", als die Notwendigkeit der längst überfälligen, und sicher schmerzhaften Auseinandersetzung mit jenem Alltagsrassismus, der in uns allen wirkt.

Gelesen hat der Kabarettist das Buch offensichtlich immer noch nicht. Solange Nuhr sich entscheidet beim Titel stehen zu bleiben, muss er sich an seinen eigenen Grundsätzen messen lassen. Die hat er mal in einem vielzitierten Spruch geistreich zusammengefasst: „Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten.“

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