zum Hauptinhalt
Leben den Traum vom Süden. Roy Bianco (links) und die Abbrunzati Boys.

©  Ludwig van Borkum

Die Popgruppe Roy Bianco & die Abbrunzati Boys: Tutto Amore für das schöne Italien

Roy Bianco & die Abbrunzati Boys sind erfolgreich mit ironischem Italoschlager auf Deutsch. Jetzt kommen sie nach Berlin.

Es ist ein deutsch-italienisches Märchen: Silvester 1981 lernen sich zwei Musiker in Sirmione am Gardasee kennen und beginnen ihre Karriere als Italoschlagerduo Roy Bianco & die Abbrunzati Boys (wobei die Abbrunzati Boys nur eine Person ist), kurze Zeit später treten sie mit vierköpfiger Showband beim Internationalen Schlagerfestival in Rio de Janeiro auf.

Auf zahlreiche Welttourneen und Musikpreise folgt 1997 die Auflösung der Gruppe aufgrund von Streitigkeiten zwischen den beiden Frontmännern. Ab 2016 dann die Versöhnung und das Comeback, Radiohits, Festivalauftritte und das „Greatest Hits“- Album. Und nun, im April 2022, das, mit dem fast keiner mehr gerechnet hätte: Das neue Album von Roy Bianco & die Abbrunzati Boys „Mille Grazie“ steigt auf Platz 1 der deutschen Charts ein – Riesenerfolg.

Ein Italienklischee jagt das nächste

Das mit der Chartplatzierung von „Mille Grazie“ ist wahr, der Rest Fake. Wer hinter Roy Bianco & die Abbrunzati Boys steckt, ist nicht genau bekannt, klar ist nur, dass die beiden aus Bayern stammenden Frontmänner nicht seit 40 Jahren auf der Bühne stehen – sehr wahrscheinlich waren sie 1981 noch nicht mal auf der Welt. Und, dass ihr „Greatest-Hits“-Album zugleich ihr Debütalbum war.

Die Musik, die sie mit ihrer Band machen, ist eine Mischung aus ironisch gemeintem Schlager und Indiepop, immer mit Bezug zum gelobten Land Italien, immer mit viel Schmalz, immer mit viel amore – am besten zu genießen, wenn man die jungen Männer dazu sieht: helle Anzüge, dunkle Sonnenbrillen, Schnauzbärte und verwuscheltes Haar, verträumter Blick.

In ihren Songs besingen sie dolce vita, die Riviera und natürlich bella Napoli, aber auch Kindheitserinnerungen wie Fahrten auf der Brennerautobahn. Ein Italienklischee jagt das nächste, und wer dafür ein Herz hat, wird schnell nicht anders können, als sich noch einen Aperol Spritz einzuschenken und mitzugrölen: „Hab’ dich gefunden, Traum von Neapel/ In bella Blu will ich nur eins und das bist du“.

Roy Bianco & die Abbrunzati Boys sind nicht die Ersten, die im deutschsprachigen Raum mit Italopop-Anleihen bei einem jüngeren Publikum erfolgreich sind. Die österreichische Band Wanda landete bereits 2014 einen Hit mit ihrem Album „Amore“, es folgten „Niente“ und „Ciao“.

Vergangenes Jahr brachte das Projekt Crucchi Gang, bestehend aus Francesco Wilking, Sänger bei Die Höchste Eisenbahn, Musikmanagerin Charlotte Goltermann und ihrem Mann, Schriftsteller und Musiker Sven Regener, eine Platte mit ins Italienische übersetzten deutschen Coversongs heraus. Und selbst Italodisco ist wieder da: In Berlin gibt es seit einigen Jahren angesagte Partys unter diesem Motto.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Klar, Italien war als Sehnsuchtsort der Deutschen nie weg, auch wenn Spanien längst ihr beliebtestes Reiseziel ist. Aber seit einiger Zeit hat der Trend zur Italophilie doch Fahrt aufgenommen – vor allem wird das kitschige Italienbild der 1950er Jahre gefeiert, immer sonnige Strände und hoch wachsende Zypressen.

In Berlin gibt es Läden wie den „Amore Store“, lassen sich Millennials „La dolce vita“ aufs Bein tätowieren oder tragen Käppis mit der Aufschrift „tutto bene“ der Marke Studio Ciao, deren Werbeslogan lautet: „Wenn aus dolce vita Produkte werden“. Natürlich alles ironisch gemeint.

Und dann gibt es eben Roy Bianco & die Abbrunzati Boys, die mit ihrem ebenfalls ironischen Italoschlager eine fast ausverkaufte Tournee spielen, auch in Berlin, und dabei nie wirklich ihre Rolle verlassen, ihre Fans auf Instagram nur mit „Ciao Ragazzi!“ ansprechen und eine heile Welt versprechen. Woher kommt diese Beliebtheit bei den Nach-Boomer-Generationen?

„Ich glaube das sind zweierlei Dinge“, sagt die Abbrunzati Boys (wie erwähnt, eine Person), dichter Schnauzer, Goldkette, beim Zoom-Interview. „Das eine ist natürlich die nostalgische Erfahrung von ganz vielen von uns mit dem Urlaubsland Italien: Man ist früher mit den Eltern den Brenner runtergefahren, vollgepacktes Auto, nach Ankunft erst mal Pasta oder Pizza oder Eis.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Das andere ist, dass Italien wahrscheinlich das am besten vermarktete Urlaubsland der Welt ist, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.“ Einen anderen Grund, sagt Sänger Roy Bianco, sehe er darin, dass Europa als Reiseziel in Deutschland wieder beliebter werde. „In den 2000ern und 2010ern ist man eher nach Bali oder Thailand gereist. Und jetzt fährt man eben eher wieder nach Italien.“

Die Deutschen verbindet mit Italien als Reise- und Urlaubsland in der Tat eine lange Tradition. Bereits die Renaissance-Künstler bereisten das Land, das vielen als „Wiege der Kultur“ gilt. Und dann kam Goethe: Seine „Italienische Reise“ von 1886 bis 1888 wurde zum Vorbild unzähliger Kulturhungriger, die sich bis heute auf die Spuren des Dichters begeben.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Ab den 1950er ermöglichte der wirtschaftliche Aufschwung vielen den Urlaub in Italien, das Land wurde schnell zum beliebtesten Reiseziel der Westdeutschen. 1958 zählte es bereits vier Millionen deutsche Urlauber, die nun meistens mit dem Auto anreisten. An diesem Italien-Boom hatte auch der deutsche Schlager seinen Anteil: Schon bevor es sich die meisten leisten konnten, nach dem Krieg zu reisen, besang er das süße Leben in bella Italia, schürte Sehnsüchte und Wunschvorstellungen von blühenden Rosen und Mandolinenklängen, vom dolce far niente und Nächten voller Chianti.

Vielleicht liegt es auch an der aktuellen Weltlage, dass diese Erzählung gerade jetzt wieder so an Zuspruch gewinnt. Corona, der Krieg in der Ukraine und der Klimawandel erscheinen vielen jungen Menschen als fast ausweglose Bedrohung. „Dinge wie Aperol Spritz sind so schön, so einfach und so erschwinglich und deshalb kommen sie jetzt wieder in Hochkonjunktur“, sagt Roy Bianco.

„Wir wollen den Leuten eine Art Eskapismus bieten, aber mit Anspruch – und wenn auch nur für eine Stunde am Tag.“ Den Dank, den sie dafür von ihren vielen Fans ernten werden, haben die beiden ja schon in ihrem Albumtitel „Mille Grazie“ vorweggenommen. In diesem Sinne: Arrivederci!

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false