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Traumverloren. Xinyi Cheng malt ihre Freunde wie bei „Stijn in the Red Bonnet“ von 2020 in surrealen Szenen.

© Aurélien Mole

Die Pläne des neuen Nationalgalerie-Leitungstrios: Aus Eins mach Drei: Auf Udo Kittelmann folgt ein Triumvirat

Bleiben die Rieck-Hallen? Was wird aus dem Hamburger Bahnhof? Mit Beuys, Picasso, Gauguin gibt sich die Nationalgalerie trotzdem zuversichtlich.

Die Museen leben gerade in einem Zwischenreich. Die einen haben gerade wiedereröffnet, die anderen noch nicht, werden es vielleicht auch gar nicht erst sein, wenn der nächste Shutdown schneller kommt, als gedacht. Der Hamburger Bahnhof befindet sich noch mehr dazwischen: Was wird aus ihm? Sind die Rieck- Hallen noch zu retten? Ist wenigstens das Haupthaus gesichert? Oder macht auch da die Eigentümergesellschaft CA Immo ihre Ansprüche geltend?

Als Reaktion auf all die Unwägbarkeiten haben Joachim Jäger, Ralph Gleis und Gabriele Knapstein, die drei nach Udo Kittelmanns Abgang verbliebenen Leiter von Alter und Neuer Nationalgalerie sowie Hamburger Bahnhof, zum Pressegespräch über ihre Zukunftspläne geladen. Es geht voran, wollen sie signalisieren, es gibt weiterhin Programm.

Seit Dezember hängt die Cheng-Ausstellung. Wenige haben sie gesehen

Doch was für ein trauriges Wiedersehen ist das. Zuvor führt Kurator Sven Beckstette in den Ostflügel, wo seit Dezember die Ausstellung von Xinyi Cheng hängt, der Gewinnerin des Prix Baloise, der zur Art Basel vergeben wird. Die traumschöne Ausstellung ist seit Dezember aufgebaut, gesehen haben sie bisher nur eine Handvoll Gäste.

Die Hoffnung bleibt, dass die bis Ende Mai verlängerte Schau mit 30 Gemälden doch noch ihr Publikum bekommt, wenn sie denn am 1. April eröffnen darf. Die somnambulen Bilder vornehmlich junger Männer aus dem Umfeld der in Paris lebenden chinesischen Malerin passen in diese Zeit.

Sie stehen mit bloßem Oberkörper neben einem Pferd mit roter Haube irgendwie herum, schneiden einander nackt die Haare, hantieren mit dem Feuerzeug viel zu nah am eigenen Gesicht. Die exzellent gemalten, surrealen Szenen reflektieren zudem erstaunlich gut den vagen Zustand, in dem sich hier ein ganzes Museum befindet.

Joachim Jäger, Ralph Gleis und Gabriele Knapstein sind Optimisten

Dann geht es auch schon weiter, den endlosen Gang der Rieck-Hallen hinunter zum offiziellen Teil des Besuchs. Alle paar Meter hängt eine Kugellampe von Richard Artschwager von der Decke mit dem Schriftzug „Exit“ darauf. Während Museen während ihrer Schließzeiten ansonsten etwas Vielversprechendes, Geheimnisvolles haben, wirkt dieser Auftakt eher unheilschwanger. Doch Jäger, Gleis und Knapstein sind angetreten, das Gegenteil zu beweisen.

Sie wollen sich als Triumvirat installieren, als Alternative zum bisher alleinigen Nationalgalerie-Direktor, dem angesichts einer Sammlungspannbreite vom 19. bis zum 21. Jahrhundert, der Vielzahl der insgesamt sieben Standorte von Mitte bis Charlottenburg der Überblick verloren gehen muss. Dass Friedrich Christian Flick seine Sammlung abzieht, nicht rechtzeitig gegen den absehbaren Abriss der Rieck-Hallen vorgegangen wurde, führt Jäger auf die Versäumnisse eines überforderten Einzeldirektors zurück.

Die Verteilung der Verantwortung auf drei Chefpositionen sei kein Verlust an Repräsentativität nach außen, sondern ein Gewinn an Kompetenz, meint er. Zusammen mit Gleis und Knapstein hat er ein Konzept für die Zukunft der Nationalgalerie erarbeitet, mit dem sich das Trio empfehlen will, sobald bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz die Leitungsstellen ausgeschrieben sind.

David Chipperfield schenkt der Stadt eine Ikone der Moderne zurück

Die kleine Pressekonferenz hat also etwas von einer Bewerbung über Bande. Wobei die neue Ära längst begonnen hat, das stellt Jäger zu Beginn gleich klar. Der neue Zuschnitt für die Nationalgalerie ist vom Stiftungsrat bereits beschlossen. Jäger, Gleis und Knapstein führen vor, wie es gehen kann. Ihnen spielt die lang ersehnte Wiedereröffnung des Mies van der Rohe-Baus nach rund fünfjähriger Sanierung in die Hände. David Chipperfield schenkt der Stadt eine Ikone der Moderne in Reinform zurück.

Anlässlich der Schlüsselübergabe im April werden die Choreografin Anne Teresa de Keersmaker und die Künstlerin Veronika Kellndorfer mit ihren fotografischen Installationen den noch leeren Raum bespielen. Am 21. August aber soll richtig Eröffnung sein mit Sammlungsübergabe und einer Calder-Schau. Als weiteren Höhepunkt im Programm der Neuen Nationalgalerie kündigt Jäger die millionenschwere Picasso-Ausstellung „Les Femmes D’Alger“ im Museum Berggruen an, ein Once-in-a-Lifetime-Event, sind doch seit dem Tod des Malers so viele Bilder der berühmten Serie nicht mehr zusammengekommen.

Die Alte Nationalgalerie prunkt mit großen Namen: Richter und Gauguin

Mit großen Namen prunkt auch die Alte Nationalgalerie. Nachdem gerade erst zu Wochenbeginn Kulturstaatsministerin Monika Grütters den „Birkenau“-Zyklus Gerhard Richters im Schinkelsaal zusammen mit der Tochter der Künstlers als Auftakt einer 100 Werke umfassenden Leihgabe für das künftige Museum der 20. Jahrhunderts übergeben hat, steht im Juni die Ausstellung „Paul Gauguin – Why are you angry?“ an.

Die in Zusammenarbeit mit dem Ny Carsberg Glyptotek in Kopenhagen entstandene Ausstellung verspricht vor dem Hintergrund einer postkolonialen Neubewertung spannend zu werden. Welchen Vorstellungen vom Südsee-Paradies Tahiti hing Gauguin damals an? Wie werden sie heute gesehen, gerade von Künstler:innen der Region?

Zu Beuys' 100. Geburtstag wird aus eigenen Beständen geschöpft

Im Hamburger Bahnhof dagegen fehlt der große Aufschlag: Zu Beuys’ 100. Geburtstag werden Sammlungsbestände gezeigt, erstmals seit 2014 wieder der Zyklus „The secret block for a secret person in Ireland“. „Scratching the Surface“ untersucht ebenfalls anhand der eigenen Sammlung das Zusammenspiel von Mensch, Technik und Natur.

Zum 25. Geburtstag des Museums für Gegenwart ist im Oktober eine Präsentation aus eigenem Bestand sowie der Haubrok Foundation geplant. Das klingt nicht sehr aufregend. Doch hinter den Kulissen wird um das Überleben, zumindest die Rettung der Rieck-Hallen, gekämpft.

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