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Soldaten in Myanmar bei einer Militärparade. Die Armee hat im Februar 2021 mit einem Putsch die Macht im Land an sich gerissen und geht brutal gegen jede Opposition vor.

© dpa

Die Legitimität staatlicher Gewalt: Warum wir nicht immer von Sicherheitskräften sprechen dürfen

Ob in Myanmar oder Belarus, wenn Polizisten und Militärs Demonstranten niederknüppeln, reden wir oft von Sicherheitskräften. Das spielt Autokraten in die Hände. Eine Empörung.

Über 500 Zivilisten sind in Myanmar seit dem Militärputsch staatlicher Gewalt zum Opfer gefallen; die Dunkelziffer ist hoch. In Belarus wurden bei den jüngsten Protesten gegen den Diktator und Wahlfälscher Lukaschenko wieder über 250 friedliche Demonstranten verhaftet.

Das sind nur zwei Beispiele aus den täglichen Nachrichten. Man schwankt – in sicherer Entfernung – zwischen Horror und Hoffnung, dass die Freiheitsträume der Menschen dort nicht kaputtgehen wie im Arabischen Frühling.

Ob in Damaskus oder Kairo, Hongkong oder in nordamerikanischen Städten: Immer sind es Sicherheitskräfte, die gegen Demonstrationen vorgehen und von der Waffe Gebrauch machen. Ein stehender Begriff, der Legitimität suggeriert. Sie haben Nachrichtenagenturen, Redaktionen und das Reportervolk unter Kontrolle. Fast alle sprechen, mit Tränengas und fliehenden Menschen im Hintergrund, von Sicherheitskräften, security forces.

In den Helmen und Kampfanzügen stecken Soldaten und Polizisten, Spezialeinheiten, Schlägertrupps. Sie gehören zu den „Exekutivorganen eines Staates, die der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols und der Bewahrung oder Wiederherstellung der inneren Sicherheit dienen“, erklärt Wikipedia den Sachverhalt.

Sicherheitskräfte sind auch nur Menschen, aber sie stehen sichtbar auf der Seite der Machthaber. Sie garantieren die Sicherheit politischer Verbrecher und bewahren eine Ordnung, die in der Regel demokratische Grundsätze und Menschenrechte verletzt. Es ist also ein mindestens missverständlicher, wenn nicht tendenziöser Name: Sicherheitskräfte. In so vielen Ländern erledigen sie das dreckige Geschäft eines autoritären Systems. Sie garantieren Ordnung und Sicherheit für diejenigen, die sich zu Herren über Leben und Tod aufschwingen.

Das Wort verlangt Differenzierung

Nun wird im journalistischen Sprachgebrauch vermehrt gegendert, rassistische Formulierungen verschwinden und werden unter Umständen sanktioniert. Aber Sprache ist auf vielen Feldern tückisch und parteiisch: Von den türkischen Sicherheitskräften zu sprechen, spielt dem Diktator in die Hände. Denn es klingt, als stünden diejenigen, die gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit demonstrieren, für Chaos und Gefahr. So argumentieren die Autoritären: Wer sich gegen sie auflehnt, ist kriminell und wahrscheinlich auch noch vom Ausland gesteuert.

Sicherheitskräfte. Das Wort verlangt Differenzierung, gedruckt oder gesprochen. Es kommt auf die Situation an. Und es gibt gute Beispiele, dass security forces für die Sicherheit kämpfen. Am Kapitol in Washington haben sich die Beamten gegen den von Trump aufgehetzten Mob gestellt und die Demokratie verteidigt. Ein Vorbild für Minsk und Yangon.

Rüdiger Schaper

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