zum Hauptinhalt
Damon Albarn und seine Band in der Max-Schmeling-Halle, im Hintergrund eine der Gorillaz-Figuren

© Christophe Gateu/dpa/bildfunk

Die Gorillaz in Berlin: Von der Macht der Liebe

Pop-Wirklichkeit und Comic-Fiktion: Das Konzert von Damon Albarns Gorillaz in der Berliner Max-Schmeling-Halle.

Es ist ein paar Jahre her, dass Damon Albarn und seine Comic-Band Gorillaz auf der Bühne lediglich als Schemen zu erkennen waren. Sie spielten hinter einem Vorhang, auf dem wiederum die Mitglieder der Band sich als animierte Figuren oder Hologramme bewegten. Zu aufwändig das Ganze, wenn es dann hin und wieder sogar richtig ans Verkleiden ging. Und vor allem eine Idee zu konsequent, weil ein Live-Konzert und eine virtuelle Welt nicht gut miteinander harmonieren. Pop- Fans verlangt es bei Konzerten nach Wirklichkeit, nach Begegnungen, Berührungen (warme Worte, Hände abklatschen lassen, Rosen und anderes auf die Bühne werfen etc.).

So gibt es auch an diesem Freitagabend in der seit Monaten ausverkauften Max- Schmeling-Halle zwei verschiedene Welten: die auf der Bühne, auf der Albarn, seine Band, ein sechsköpfiger Background-Chor und diverse Gastsänger und -sängerinnen mit einzelnen Auftritten agieren. Und jene auf der riesigen Leinwand dahinter, wo ebenfalls diverse Gastsängerinnen ihren Auftritt haben wie die Discokönigin Grace Jones oder die R&B-Sängerin Kelela, vor allem aber die fiktive vierköpfige multikulturelle Band diverse Abenteuer besteht.

Das neueste, von dem im Frühjahr veröffentlichten fünften Gorillaz-Album „Humanz“ geht so: 2 D, Murdoc, Noodle und Russel, wie die vier Gorillaz heißen, wachen eines Tages auf, es hat eine Katastrophe gegeben, die Welt steht kurz vor der Apokalypse. Sie machen eine Reise auf andere Planeten, in die Vergangenheit, auf der Suche nach den letzten noch lebenden gleichgesinnten Seelen, nach den besseren Sounds, vor allem denen der afroamerikanischen Popmusik der letzten Dekaden.

Damon Albarn ist auch live der Zeremonienmeister

„Humanz“ ist ein Konzeptalbum, ein geschmackvolles, popmusikalisch upgedatetes, Vergangenheit und Gegenwart klug verbindendes, aber auch ein arg ausladendes, bisweilen auseinanderfallendes Album, mit einer Vielzahl von Gästen, vom Hip-Hopper Vince Staples über den jamaikanischen DJ und Sänger Popcaan oder eben jener Kelela bis hin zum britischen Soul-Jazz-Sänger Benjamin Clementine. Und dieses Konzept versuchen die Gorillaz live genauso umzusetzen, mit programmatischen Stücken wie „Last Living Souls“, „Every Planet We Reach Is Dead“ und „Saturnz Barz“ zu Beginn, bis hin zu „Don’ t Get Lost In Heaven“ als eine der Zugaben.

Nur gibt es das Problem des Albums mit seiner Überladenheit, der zeitweiligen Inkongruenz auch hier, lassen sich die reale Popwelt und die virtuelle Comic-Welt eben nicht so ohne weiteres verschmelzen. Hier die „Humanz“-Bilder- und Geschichtenproduktion auf der Leinwand. Und dort auf der Bühne, im schlicht-schwarzen Britpop-Outfit, Damon Albarn als Zeremonienmeister. Albarn singt, bestimmt die Einsätze seiner Band, sitzt auch mal am Klavier oder bedient eine Melodica, schreitet die Bühne nach ganz weit rechts und links ab, tritt mit dem Publikum in Interaktionen und floskelt überflüssige deutsche Sätze wie „Ich liebe diese Stadt“.

Die Gorillaz-Show stellt sich mehr noch als ein „Humanz“-Gig als großes Hitprogramm dar, mit melancholisch- sehnsuchtsvollen Übersongs wie „Rhinestone Eyes“, „On Melancholy Hill“, „Él Manana“ oder „Clint Eastwood“. Was kein großes Wunder ist, gibt es die Band doch seit Ende der neunzigerer Jahre, seit Damon Albarn sich nach dem Split von Blur musikalisch neu orientiert hatte und zusammen mit dem Zeichner und Tank-Girl-Co-Autor Jamie Hewlett auf die Idee einer Comic-Band gekommen war.

Es wehen ein paar Neunzigerjahre-Schwaden durch die Halle

So weht nicht zuletzt manche Neunzigerjahre-Schwade durch die große Halle, geht es um Erinnerungen an die frühen, für manche wegen ihrer nun verlorenen Jugend womöglich goldenen frühen Nullerjahre. Trotz des guten und schönen Soul-Chors hat manches Stück etwas Rockistisches, zumal Albarn unverkennbar dieselbe Weh- und Schwermut wie ehedem zu Britpop- und Blur-Zeiten in seine Stimme zu legen weiß.

Die Gastauftritte sorgen für die Gegenwärtigkeit, die musikalische genauso wie die sexuell-vielfältige, gerade im letzten Drittel der Show bis zu den Zugaben. Den Anfang machen De La Soul, wenngleich sie Veteranen des elaborierten Bewusstseins-Hip-Hop der neunziger Jahre sind. Später folgen der Soulsänger Peven Everett, der House-Produzent Jamie Principle, der tolle queere Rapper Zebra Katz und die noch beeindruckendere britischen Rapperin Little Simz. Der weiße Pop-Nerd Albarn ist hier auf den Spuren der schwarzen Popmusik und erweist ihr die Reverenz. Obwohl diese Stücke von „Humanz“ mitunter technisch und kalt sind, sie schon gar keine Hits wurden, gehört dieses letzte Drittel zum Besten des Konzerts, mündend in den Song „We Got The Power“ mit noch einmal der hier stimmlich großartig dominierenden Little Simz neben Albarn am Mikrofon.

„We Got The Power“ ist eine tolle Hymne, eine Art Friedens- und Kommt- Alle-Zusammen-Hymne, mit dem viel Gänsehaut verursachenden Refrain „We’ ve got the power to be loving each other/ No matter what happens, we’ ve got the power to that“, ein eigentlich großartiges Ende. Es hat nur den Fehler, dass es mit seinen drei Minuten viel zu kurz ist – und Albarn und seine Band nicht willens oder in der Lage, diesen Moment zu dehnen, das Stück zu verlängern, hier einmal zu improvisieren. Das lässt das ganze Konzept mit den vielen Programmpunkten und den Playbacks nicht zu – und wäre wohl eine Spur zu viel Wirklichkeit gewesen.

Zur Startseite