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Vielschichtig. Der deutsche Maler Alo Altripp.

© Michael Altripp/Galerie mutare

Die Galerie Mutare erinnert an Alo Altripp: Der Maler schwankte zwischen Realität und Abstraktion

Eine Werkschau der Galerie Mutare folgt Alo Altripps Stilwandel durch zahlreiche Kunstbewegungen. Auch der Dienst im Kriegsgefangenenlager prägte sein Schaffen.

Auch so kann ein Selbstporträt aussehen: Ein Totenschädel fixiert durch seine Rundbrille den Betrachter. Auf einem anderen Blatt, ebenfalls bestechend präzise mit Bleistift gezeichnet, werden Utensilien wie Lampe, Buch und Briefbeschwerer zu magischen Symbolen der alltäglichen Dingwelt.

Mit Alo Altripps Frühwerk im Zeichen der Neuen Sachlichkeit eröffnet die Galerie Mutare die Werkschau eines Künstlers, der Berlin nur kurz gestreift hat. Zum Schaffenszentrum wurde dem 1909 Geborenen Wiesbaden, wo er sich 1928 als Grafiker und Dekorationsmaler niederließ.

Um 1930 wuchs bei ihm das Unbehagen an der naturgetreuen Wiedergabe der sogenannten Realität. Inspiriert vom Surrealismus eines Max Ernst, von den Schriften Rudolf Steiners und dem meditativen Alterswerk Alexej von Jawlenskys, mit dem er sich in Wiesbaden befreundete, wandte er sich einer expressiven, spirituellen Abstraktion zu.

Geschautes wurde nun durch Farbe, Licht und Schatten modelliert, Spritztechnik und kurzfristig die Monotypie kamen für den im „Dritten Reich“ Verfemten zum Einsatz. Um der Kraft nachzuspüren, die hinter den materiellen Erscheinungen liegt, experimentierte Altripp mit Farben und Formen.

Zu chimärenhaften Wesen werden 1931 „Drei Figuren“ (13 000 Euro), treppenhafte Gebilde türmen sich in einem Werk von 1937, in der 1938 entstandenen „Stimmung am Rhein“ beschwören die horizontal aufgetragen Farbschichten in feinster Nuancierung die Dämmerung (9400 Euro).

Rückkehr zur Realität im Krieg, später zu den Farben

Während seines Dienstes in einem hessischen Kriegsgefangenenlager kehrte der Wiesbadener kurzfristig zur Realitätsdarstellung zurück, es entstanden Studien des Lagerlebens, bei Mutare in Aquarell (6000 Euro). Sein zeichnerisches Können setzte er nach dem Krieg erneut beim US-Collecting-Point in Wiesbaden ein, der Beutekunst des NS-Regimes registrierte.

Immer mehr wandte sich Altripp vom Naturbild ab, in nun stärkerer Farbigkeit entstanden freie informelle Bilder, welche die Düsternis der dreißiger Jahre hinter sich lassen (8500–9400 Euro).

Mit einem Stipendium der Barnes Foundation ging er 1949 nach New York, lernte Lyonel Feininger und Jackson Pollock kennen, setzte dem dort dominanten abstrakten Expressionismus wie auch dem Action Painting allerdings beharrlich Kompositionen in Schwarz-Weiß aus abstrakten geschwungenen Formen in scharfer Kontur entgegen.

Nach Reisen in den Süden Europas entdeckte er in den 1960er Jahren erneut die Farbe für sich, nun bis zum Lebensende 1991 bevorzugt in Aquarell aufgetragen in weiterhin ebenso gegenstandslosen wie kleinformatigen Werken. Die durchlichteten Miniaturen des Spätwerks, meditative Bildspaziergänge in leuchtenden Tönen, präsentiert die Galerie Mutare zu Preisen zwischen 750 und 800 Euro.

Seinem Credo, dass zeichnerisches Handwerk die Voraussetzung aller Wirklichkeitsdarstellung sei, blieb Altripp dennoch treu. Während seiner Tätigkeit als Dozent an der Werkkunstschule Wiesbaden konnte er es bis 1971 an die junge Generation weitergeben.

Angelika Leitzke

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