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Ole Lagerpusch und Birte Schnöink.

© Markus Koob/dffb

„Die Einzelteile der Liebe“ auf der Berlinale: Liebe und Trennung vor der Haustür

Treffpunkt Hansaviertel: Miriam Bliese und ihre Dramödie „Die Einzelteile der Liebe“ in der Perspektive Deutsches Kino.

Die Idee ist bestechend. Ein Kammerspiel draußen. Eine Liebes- und Trennungsgeschichte, die sich eben nicht wie üblich im privaten Bett oder am Küchentisch abspielt, sondern an der öffentlichen Tür. Da wo Sophie (Birte Schnöink) hochschwanger herausgekugelt kommt. Wo Georg verzweifelt am Klingelbrett herumdrückt, weil er Sohn Jakob sprechen will. Wo im Sommer auf dem Rasen gefeiert wird. Und Georg (Ole Lagerpusch) im Winter mit dem Auto vorfährt und den ihm vorenthaltenen Jakob einfach so mitnimmt.

Die Haustür als Zentrum einer gut gebauten elliptischen Erzählung, die in der Erzählzeit wie in den Jahreszeiten hin- und herspringt. Kein Zweifel: „Die Einzelteile der Liebe“, der DFFB-Abschlussfilm der 1978 geborenen Regisseurin Miriam Bliese, ist der formal interessanteste Spielfilm der diesjährigen Perspektive.

Und ganz nebenbei liefert der Drehort, das von Pierre Vago in der Klopstockstraße 14 im Hansaviertel erbaute Zeilenhaus, auch noch ein taghelles Gegenbild zum derzeit dauerbemühten Nachtbild der ewigen Partymetropole Berlin. Genau um die bürgerlich-urbane Normalkulisse ist es der Filmemacherin als Rahmen für die Beziehungskiste und den Sorgerechtsstreit zweier Mittdreißiger gegangen.

Die Hintertür zur Vordertür gemacht

„Wir haben das Haus gecastet wie einen Hauptdarsteller“, erzählt die Schauspielertochter, die ursprünglich selbst ans Theater wollte. „Klar, archetypisch und trotzdem ästhetisch reizvoll“, sollte der bei ihr zu einer Bühne mit mehreren Ebenen mutierende Eingangsbereich sein. Und das ließ sich – frei von Plattenbau- oder Sozialbauassoziationen – so nur im Hansaviertel finden, sagt die gebürtige West-Berlinerin, die vor der Filmhochschule Germanistik und Philosophie an der FU studiert hat und nebenher Drehbücher und Filme aus dem Französischen übersetzt.

Vor Ort stellt sich an diesem frischen Februarmorgen heraus, dass das Filmteam schon ein wenig mit der Architektur geschummelt hat. Miriam Bliese, die nach den Dreharbeiten zum ersten Mal wieder hier ist, grinst. „Wir haben die Hintertür zur Vordertür gemacht.“ Der reale Vordereingang ist nämlich deutlich unspektakulärer als der mit Säulen und Rampen strukturierte rückwärtige Ausgang des Gebäuderiegels.

In zwei kurzen Szenen bricht sie mit dem selbst auferlegten Muster und zeigt Sophie und Georg drinnen in einer Wohnung. „Aber nur im Flur und damit auch an einem Durchgangsort.“ Und wieso überhaupt? „Ein Dogma wird langweilig, wenn man es nicht bricht.“ Außerdem wollte sie ihren Darstellern wenigstens kurz die Intimität des Innenraumes gönnen. „Menschen immer draußen stehen zu lassen, ist schon brutal.“

„Ich rede, also bin ich“

So brutal wie die in der Dramödie mit Schlagermusik versüßten Mechanismen der erwachenden, aber eben auch erlöschenden Liebe, die Miriam Bliese schlüssig skizziert. Wobei die kleinen Alltagsszenen die Temperatur zwischen den Menschen viel mehr bestimmen als dramatische Wendepunkte. „Ein Sturm- und Drangplot ist nicht mein Ding“, sagt die Regisseurin. „Mich interessiert mehr, in welchem Tonfall Menschen miteinander reden.“ Besonders die Kaste mittelalter Großstadtmenschen, die wie die Mutter zweier Kinder selbst, als Selbstständige in einer Patchworkfamilie leben. In Bezug auf die Kommunikation heißt das genau was? „Ich rede, also bin ich“, sagt Bliese und lacht. „Reden ist für sie ein Zweck an sich. Sie haben die Ironie als Lebenshaltung verinnerlicht, keiner stürzt sich einfach so in ein Gefühl, jede Handlung wird sofort reflektiert und verwandelt.“

Nur gut, dass „Die Einzelteile der Liebe“ auch Ausnahmen von dieser die Affekte mildernden, aber auch rationale Kühle verbreitenden Zivilisiertheit zeigt. Etwa als die flatterige Sophie versucht, durch das Einrichten eines absurd improvisierten Sitzplatzes vor dem Haus die bröselnde Bindung zu Georg zu kitten.

Den größten Kontrast zur abstrakten, in sorgfältig kadrierten Bildern inszenierten Architektur liefern die kuscheligen Schlagermelodien, die Georg gern zur Klampfe singt. Bei einer sommerlichen Partyszene im Hauseingang oder auch Silvester, als Georg und der kleine Jakob im Raketenmüll stehen und „Anneliese, ach, Anneliese“ anstimmen, fragt man sich unwillkürlich, was wohl die Mieter des Hause vom Filmdreh gehalten haben. Die hätten das freundlich ertragen, erzählt Miriam Bliese. Aufmerksamkeit seien die Anrainer gewohnt, weil häufig Touristengruppen ins Hansaviertel kämen. Selbstverständlich um die ab 1956 errichteten Bauausstellungshäuser anzuschauen, nicht um Berlinalechef Dieter Kosslick aufzulauern, der hier ums Eck wohnt.

13.2., 12 Uhr (Colosseum 1), 17.30 Uhr (Blauer Stern), 20 Uhr (Cinemaxx 1)

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