zum Hauptinhalt
Slalom durch die Filmgeschichte. Die ständige Ausstellung im Berliner Filmmuseum präsentiert mehr als 100 Jahre deutscher Kinovergangenheit – mit den Diven Marlene Dietrich und Romy Schneider.

© Christine Kisorsy/Deutsche Kinemathek

Die Deutsche Kinemathek wird 50: Jagen und retten

Die Deutsche Kinemathek wird 50 – und erinnert am Donnerstag mit einem Festakt an ihren Gründervater Gerhard Lamprecht.

Manchmal beginnt die Zukunft tief in der Vergangenheit. Zu den größten Kinoerneuerern gehören derzeit Enthusiasten wie Quentin Tarantino und Martin Scorsese, die sich mit ihren Werken vor den vergessenen oder übersehenen Meistern der Filmgeschichte verneigen. Tarantino huldigt mit seinem neuen Film „Django Unchained“ dem Genre des Spaghettiwesterns, während Scorsese in seinem 3DOpus „Hugo Cabret“ dem Trickfilmpionier Georges Méliès ein Denkmal setzte.

Beide sind längst selber in die Filmgeschichte eingegangen, Scorseses Werk wird gerade mit der weltweit ersten Ausstellung im Berliner Filmmuseum gefeiert. Passenderweise ist das Museum aus der Arbeit eines Mannes hervorgegangen, dessen Enthusiasmus an Scorsese und Tarantino erinnert. Gerhard Lamprecht drehte Kinoklassiker wie „Emil und die Detektive“ oder „Irgendwo in Berlin“, und das Geld, das er damit verdiente, steckte er in seine Filmsammlung.

Wenn die Deutsche Kinemathek an diesem Donnerstagabend bei einem Festakt im Filmhaus am Potsdamer Platz mit 500 geladenen Gästen ihren 50. Geburtstag begeht, dann wird in den Reden noch einmal an den Gründervater erinnert werden, der zu einer Zeit ein Kino-Nerd war, als es den Begriff noch gar nicht gab. Der West-Berliner Senat hatte Lamprechts Filmsammlung für 443 000 Markt angekauft und ihn mit einem Monatsgehalt von 2000 Mark zum Direktor der am 1. Februar 1963 gegründeten Kinemathek gemacht, die zunächst in Räumlichkeiten der Fachschule für Optik und Fototechnik am Einsteinufer unterkam. Vorausgegangen waren jahrelange Planungen für ein nationales Filmarchiv nach dem Vorbild der Cinémathèque française in Paris. Dabei hatte sich Lamprecht als gerissener Stratege gezeigt, der immer wieder damit drohte, seine Bestände an die Pariser Konkurrenz zu verkaufen.

Einen „totalen Filmmenschen, der das Kino mit allen Sinnen aufgesogen hat“, nennt Rolf Aurich den Regisseur in einer dreibändigen Würdigung zum Jubiläum („Edition Gerhard Lamprecht“, Edition Text + Kritik, 67 €). Lamprecht, 1897 als Sohn eines Gefängnispfarrers in Berlin geboren, arbeitete schon mit 12 als Filmvorführer, wusste mit 16, dass er Regisseur werden wollte, und begann bereits im Ersten Weltkrieg, eine Sammlung von Filmen, Geräten und Memorabilien aufzubauen.

Eine Kopie von Méliès’ legendärem Film „Die Reise zum Mond“ von 1902 entdeckte er bei einem Schausteller in einem ehemaligen Pferdestall an der Badstraße: „Ich wollte schon rausgehen, da sehe ich in der Ecke bei den Kohlen eine kleine Büchse liegen. Ich mache sie auf, es stinkt fürchterlich, der Film hatte sich schon zersetzt, ich wollte ihn wegwerfen, aber auf dem Deckel stand ,Voyage dans la lune’.“

Das Kino galt lange als eine Kultur minderer Güte, das Zelluloid der Filme wurde nach ihrer Auswertung zu Kämmen recycelt. Ohne den Spürsinn der frühen Jäger und Sammler wie Lamprecht wäre vom Erbe des Stummfilms heute kaum noch etwas übrig. Aus seinem Grundstock ist inzwischen ein Bestand von 13 000 Filmen, 21 000 Plakaten, 25 000 Drehbüchern und einer Million Fotos hervorgegangen, ganz zu schweigen von Kostumentwürfen und Requisiten. Zu den besonderen Schätzen der Kinemathek gehören die Marlene Dietrich Collection mit 440 Paar Schuhen, 50 Handtaschen und mehr als tausend Textilien der 1992 verstorbenen Diva sowie das Archiv des nach Hollywood emigrierten Filmagenten Paul Kohner. Zuletzt kamen als Neuzugänge die Sammlungen der Regisseure Werner Herzog und Heinrich Breloer sowie des Setdesigners Ken Adam dazu.

Fast 40 Jahre lang war die Kinemathek ein Museum ohne Ausstellung. Erst seit dem Umzug an den Potsdamer Platz im Jahr 2000 kann sie einen Teil ihrer Sammlung in einem Rundgang durch die deutsche Filmgeschichte präsentieren – von Max Skladanowsky bis zu „Lola rennt“ (neuer Führer: „Die Ausstellung“, Bertz + Fischer Verlag, 9,90 €). Mit der ständigen Ausstellung und Sonderschauen etwa zu Romy Schneider, Hildegard Knef oder zur Filmset-Fotografie entwickelte sich das Haus zum Publikumsmagneten. Im letzten Jahr kamen 130 000 Besucher.

Eng verbandelt ist die Kinemathek mit der Berlinale, deren Retrospektiven sie seit 1977 organisiert. In diesem Jahr folgt die Retro mit dem Titel „The Weimar Touch“ den Spuren des Filmwunders der Weimarer Republik im Weltkino nach 1933. Auch Gerhard Lamprechts Komödie „Einmal eine große Dame sein“ wird zu sehen sein. Einmal mit Ernst Lubitsch und Billy Wilder in einem Atemzug genannt zu werden – das hätte dem 1974 gestorbenen Regisseur gewiss gefallen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false