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The Screenshots sind Susi Bumms, Dax Werner und Kurt Prödel.

© Frederike Wetzels

Die Band The Screenshots im Porträt: Eine Glühbirne hat eine Erleuchtung

Die Kölner Rockband The Screenshots hat gerade ihr formidables Debütalbum „2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee“ veröffentlicht. Ein Treffen.

Freudige Aufregung im Konferenzraum. „Da ist ja unsere CD,“ sagt Kurt Prödel und zeigt auf das gelb-weiße Pappcover von „2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee“. Auch Susi Bumms hat es nun entdeckt, fragt, ob sie mal sehen darf – ist ja nicht selbstverständlich in Pandemiezeiten.

Um mögliche Ansteckungen zu vermeiden, findet das Gespräch mit der Kölner Rockband The Screenshots dann auch bei geöffneten Fenstern und Türen statt. In einem Kreuzberger Agenturbüro sitzt man mit Abstand um einen Tisch, über den ein leichter Luftzug weht.

Das Trio hat ein eigenes Label gegründet

Die CD wird herumgereicht – man kann ja gleich die Hände waschen. Und die drei Bandmitglieder sind sichtlich begeistert von ihrem Debütalbum, das sie einige Wochen vor Veröffentlichung erstmals vor sich haben.

Sie bringen es auf ihrem eigenen Label heraus und haben fast alles selber gemacht. Bassistin Susi Bumms war für das Design zuständig, hat auch die Druckvorlage des von ihr entworfenen Covers erstellt. „300 Prozent maximaler Farbauftrag. Musste ich alles erst lernen.“

Auch Sänger Dax Werner ist zufrieden mit dem Tonträger. Er sagt, dass es vorab einige Diskussionen in der Gruppe gegeben habe, ob man den überhaupt produzieren soll. Aber wenn Spotify mal nicht funktioniere, brauche man eben doch wieder eine CD. „Allerdings hat niemand von uns einen CD- oder Plattenspieler.“ Gelächter in der Runde.

Die Screenshots, alle zwischen Mitte 20 und Anfang 30, sind mit dem Internet aufgewachsen. Dort haben sie sich auch kennengelernt. Auf Twitter, wo sie einzeln teils fünfstellige Followerzahlen erreichen, entstand die Idee, einmal zusammen Musik zu machen.

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Man traf sich in einem Proberaum in Krefeld, was zur zeitweiligen Legende führte, sie stammten von dort, und es klappte sofort hervorragend. Weshalb das Trio ein paar Monate später im April 2018 seine erste EP „Ein starkes Team“ beim Berliner Label Staatsakt veröffentlichte.

Zu verzerrten, schnell runtergeschrubbten Gitarrenriffs schreisingt Dax Werner parolenartige Texte, die Stücke tragen alle nur ein Wort im Titel, sind meist kurz und einprägsam.

Im zunächst nur aus einem minimalistischen Bass-Bassdrum-Motiv bestehenden „Europa“ wird der Titel ständig wiederholt, bis er von der Zeile „Keiner darf rein/ Das lieb ich an dir“ und einem Lärmausbruch abgelöst wird. Assoziativ-rätselhafter geht es in dem Ein-Akkord-Dada-Gedicht „Deutschland“ zu, in dem Kohl, Merkel und Odonkor vorkommen.

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Das Themenspektrum der Screenshots, die im Herbst 2018 gleich noch eine längere EP namens „Der Übergriff“ herausbrachten, ist vielfältig, es reicht von Liebe und Herzschmerz über Geld, Arbeit, Serien, Fußball bis hin zu Süßwaren. Auf einen Song über die Eismarke „Cornetto“ (Geschmacksrichtung Buttermilch Zitrone) von der zweiten EP folgt auf dem gerade erschienen Album das formidable „Snacks“, in dem diverse Schokoriegel aufgezählt werden.

Die Band erweist sich auch im Gespräch als äußert kompetent im Naschwerk-Metier, kennt diverse Trends (Erdnuss! Salt Caramel!) und klingt leicht enttäuscht darüber, dass auf dem Konferenztisch nur Obst angeboten wird. Hohe Glaubwürdigkeit entfaltet dafür der „Snack“-Refrain: „Ich will eigentlich Snacks/ Doch du willst nur Sex“. Das sei ein Grundkonflikt, den viele Menschen kennen, erläutert Sänger Dax Werner, der auch für das Satiremagazin „Titanic“ schreibt.

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Spaß ist ein wichtiger Faktor bei den Screenshots, die ihr Musik und ihre Texte kollektiv im Proberaum entwickeln. „Wir brüllen uns gegenseitig an und der Lauteste gewinnt“, sagt Susi Bumms.

Letzteres stimme nicht ganz, schränken die Kollegen ein. Aber etwas, das aufregt oder bewegt, müsse schon dabei sein. Und schnell soll es gehen, am besten zwei Songs pro Probe. „Wir schmeißen lieber mal was weg, als es zu zerdenken“, so Prödel.

Mit dieser Taktik gelingt es der Band, ihre nervöse Energie einzufangen, frisch und spontan zu klingen. Sie erfindet sicher nicht die Rockmusik neu, lädt diese aber irgendwo im Spannungsfeld von Hamburger Schule, den Türen und den The-Bands der nuller Jahre wieder mit ansteckendem Enthusiasmus auf.

Dass das auch beim Live-Publikum funktioniert, haben die Sceenshots, die in ihrer Anfangszeit ihre Gesichter nicht zeigen wollten, bei ihren ersten Auftritten im vergangen Jahr erlebt. Sogar völlig ahnungslose Festivalgäste gaben ihnen positives Feedback.

Die Band als Start-up

Eigentlich wollen sie ab Januar mit dem neuen Album auf Tour gehen, doch so ganz glauben sie nicht dran. Derzeit ist ohnehin genug zu tun, um die Prophezeiung von „2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee“ zu realisieren.

Was es mit dieser Idee auf sich hat, zeigen die Comiczeichnungen im Booklet: Glühbi, eine gelbe Glühbirne mit Armen und Beinen, sucht den Erfolg. Er vertändelt seine Zeit im Netz, fährt dann nach Berlin, hängt in einem Co-Working-Space ab, doch der Umsatz stellt sich nicht ein. Dann der Erleuchtungsmoment: Mit zwei anderen Leuchten aus dem Büro gründet Glühbi eine Band. „Bam“ – stehen sie auf einer Bühne.

[„2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee“ erscheint bei Musikbetrieb Rock/Membran]

Die Band als Start-up. Dieser Gedanken, von den Screenshots im Video zu ihrer Single „Träume“ nachgespielt, ist nicht nur als Scherz gemeint. „Es ist eine Metapher, in der ich mich mega wohlfühle,“ sagt Dax Werner, der die Label-Aktivitäten – Mails schreiben, Docs ausfüllen, Slack-Channels beobachten – gar nicht so weit davon entfernt sieht.

Kurt Prödel fügt an, dass es ihnen darum gehe, diese Arbeit öffentlich zu machen. Und eben nicht so eine Pseudo-Hausboot-Authentizität zu inszenieren, wie es einige ihrer Kollegen mit größerem Budget tun. Und so knallen sie schon mal mitten in eines ihrer Videos die Werbedurchsage für ihren Onlineshop. „Kauft unsere Sachen. Wir wollen und müssen in die Charts.“

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Klar, dass eine schraddelige Indierock-Band deshalb keine Ausverkaufsvorwürfe fürchten muss. Ist ja immer noch genug Ironie im Spiel. Vor allem aber auch eine gewisse Illusionslosigkeit, was die eigenen Möglichkeiten einer fundamentalen Systemopposition betrifft. Das unterscheidet die Screenshots von Gruppen der Generation Ton Steine Scherben oder Slime.

Selbstredend findet das Kölner Trio den Neoliberalismus mit seinen Selbstoptimierungsanforderungen problematisch, und wenn es im Refrain zu „Träume“ heißt: „Glaub an deine Träume/ Manche werden wahr“, sollte man das nicht ganz wörtlich nehmen.

Was wäre, wenn die FDP den Song benutzt?

Doch weil es so euphorisch (und zudem hitverdächtig) klingt, entsteht das klassische Springsteensche „Born-In-The-USA“-Paradox: die kritisch gemeinte Überaffirmation einer Zeile wird nicht mehr als solche erkannt oder wissentlich ignoriert.

Was wäre zum Beispiel, wenn die FDP „Träume“ für sich entdeckt und im Wahlkampf benutzen würde? Eine Strophe wie diese könnte der Partei gefallen: „Du willst hoch hinaus/ Eine Führungsposition/ Eine Villa und den besten Lohn/ Und das Geld macht seinen Job/ Investition nach Investition“. Kurz entsteht am Konferenztisch eine angeregte Diskussion darüber, ob sie die Partei verklagen würden: auf gar keinen Fall – oder vielleicht doch?

Den Screenshots würde am Ende sicher eine originelle Reaktion einfallen. Lieber wäre ihnen aber sicher ein Anruf von Langnese für einen „Cornetto“-Remix für die Sommerkampagne. Dax Werner hätte da schon ein paar Ideen: ganz poppig und mit Kinderchor wäre doch schön.

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