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Klaus Staeck in der aktuellen Ausstellung

© dpa

Die Ausstellung "Kunst für alle": „Dem Wahnsinn des Marktes etwas entgegensetzen“

Im Mai gibt Klaus Staeck sein Amt als Präsident der Berliner Akademie der Künste ab. Vorher aber wird er noch einmal richtig politisch – mit der Ausstellung „Kunst für alle“.

Herr Staeck, der Weltkunstmarkt hat 2014 Rekordumsätze erzielt. Immer weniger Menschen können sich immer teurere Kunst leisten. Da läuft doch was schief mit dem Demokratisierungsprozess, der einst mit der Auflagenkunst angeschoben wurde.

Das ist eine Entwicklung, wie wir sie immer unterlaufen wollten, mit Joseph Beuys an der Spitze. Gerhard Richter sagt über die Auktionsergebnisse seiner Werke, sie seien „obszön“. Auf Messen wie der Art Basel oder Art Miami wird Reichtum in seiner exzessiven Form zelebriert. Das ist rational nicht mehr zu erklären. Warum soll die Kunst plötzlich ein Refugium sein, das der Demokratie widerspricht? Deshalb machen wir ja diese Ausstellung: Kunst für alle!

Welche Bedeutung hat Auflagenkunst heute noch?

Am Kunstbetrieb kann man politische Entwicklungen ablesen. Die große Zeit der multiplizierten Kunst war Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre. Als dann das Zeitalter von Helmut Kohl begann, wurde ich von Sammlern auf Messen gefragt: Haben Sie von Beuys nicht ein kleines Original, es kann auch ein wenig teurer sein? Da wusste ich, es beginnt auch politisch eine andere Zeit. Man wollte nicht mehr das, was man preiswert erworben hatte, beim Nachbarn möglicherweise wiederfinden. Man wollte nicht mehr teilen, auch nicht die Freude an der gleichen Arbeit.

Gibt es viele zeitgenössische Künstler, die mit Multiples arbeiten?

Kirsten Klöckner ist sehr aktiv, sie ist auch in der Ausstellung vertreten mit ihrem angebissenen Brot aus Zinn. Ottmar Hörl treibt es manchmal bis zur Inflation. Es gibt eine Menge Leute! Die Frage ist doch, inwieweit man sich von diesem hypertrophen Kunstmarkt anstecken lässt, oder ob man anfängt wieder darüber nachzudenken, Gegenmodelle zu schaffen. Die Ausstellung ist als Anregung gedacht, dem Wahnsinn des Marktes etwas entgegenzusetzen. Im Mai höre ich als Präsident der Akademie der Künste auf. Das ist mein letztes Aufbäumen hier.

Aber ist Auflagenkunst heute nicht weniger ein politisches Statement als eher ökonomisch motiviert? Sie ist billiger zu produzieren und lässt sich einfacher verkaufen.

Das eine kann man nicht vom anderen trennen. Multiplizierte Kunst in hohen Auflagen war immer der Versuch, sich unabhängig zu machen von den gängigen Institutionen. Es ging um Eigeninitiative, um die Selbstorganisation der Freiheit. Die Autorenbuchhandlung ist auch ein Kind dieser Zeit, es gibt sie glücklicherweise noch. Da entschlossen sich Schriftsteller als Gesellschafter einzusteigen und sich finanziell zu beteiligen – wodurch sie dann aber auch die Garantie hatten, dass ihre Bücher im Angebot sind.

Ist denn die Selbstorganisation der Freiheit, wie Sie sie nennen, heute noch ein Modell für die Zukunft?

Erst recht! Das Internet bietet Chancen, die wir früher nicht hatten. Dürer ist übrigens immer mein großes Vorbild gewesen. Der hat seine Sachen auf dem Markt angeboten. Man muss zu den Menschen hin. Und mit der multiplizierten Kunst hat man die Chance mehr zu erreichen als mit einem Original. Nicht, dass ich das Original verteufeln möchte. Wir haben ja damals behauptet, auch die Postkarten in unendlicher Auflage sind Originale, weil der Entwurf unmittelbar für die Postkarte gemacht wurde. Multiplizierte Kunst darf nicht mit minderer Qualität verwechselt werden.

Die Ausstellung heißt „Kunst für alle“. Wen meinen Sie damit?

Alle, die sich angesprochen fühlen. Es geht immer nur ums Angebot. Es gibt keinen Zwang, in diese Ausstellung zu gehen.

Die meisten Museen tun heute viel dafür, für ein breites Publikum offen zu sein.

Der Zugang zur Kunst hat sich wesentlich verbessert. Aber es gibt wieder diese Tendenz, Exklusivität zu schaffen. Das ist unübersehbar bei den Previews. Das Volk darf als Allerletztes rein, obwohl das für mich die wichtigsten Menschen sind.

Was planen Sie nach Ihrem Abschied als Präsident der Akademie?

Die politischen Verhältnisse schreien geradezu nach Intervention. So mische ich mich beispielsweise noch aktiver in die Auseinandersetzungen um das geplante Freihandelsabkommen TTIP ein.

Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, bis 7. Juni, Di–So 11–19 Uhr. Das Gespräch führte Anna Pataczek.

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