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Die Ärzte auf ihrer aktuellen Berlin-Tournee.

© picture alliance/dpa | Moritz Frankenberg

Die Ärzte in der Zitadelle Spandau: Winkt doch mal der Anneliese!

Rückkehr in den Heimatbezirk nach vier Jahrzehnten: Die Ärzte spielen ein solides Konzert in der Zitadelle Spandau.

Die beste Band der Welt ist zurück in Spandau, dort wo alles begann. Die beiden Gründungsmitglieder Jan Vetter, besser bekannt als Farin Urlaub, und Dirk Felsenheimer alias Bela B, sind hier aufgewachsen und haben sich der Legende nach Anfang der Achtziger in der Diskothek Ballhaus Spandau kennengelernt. Der Rest ist, wie man in solchen Fällen sagt, Geschichte.

Über 40 Jahre haben Die Ärzte kein Konzert mehr in Spandau gegeben. Nun kehren sie im Rahmen ihrer großen Berlin-Tour, die im Mai begonnen hat und die nach insgesamt 13 Konzerten im September ihren Abschluss finden wird, zurück und feiern auf der Open-Air-Bühne der Zitadelle Spandau ihr Coming Home. Bei der Tour trat die Band an einigen besonderen Orten auf. Etwa in den Kaschemmen Privatclub und Schokoladen, die eigentlich viel zu klein für sie sind.

Drei Mal steht aber auch der Flughafen Tempelhof auf dem Programm (für den 26.8. gibt es sogar noch Restkarten) . Und die Spandauer Zitadelle. Die Band wolle mit der ungewöhnlichen Tour der wegen Corona gebeutelten Berliner Veranstaltungsbranche unter die Arme greifen, sagt sie.

Angeblich sind die Mütter von Farin und Bela im Publikum

Große Reden geschwungen oder Tränen verdrückt werden aber nicht. Farin Urlaub sagt an einer Stelle des Auftritts, seine und Bela Bs Mütter seien anwesend, bleibt den Beweis aber schuldig, weil daraufhin keine älteren Damen die Bühne betreten. Und er bezeichnet Spandau als seinen Lieblingsbezirk. Das war es aber im Wesentlichen mit den Spandau-Bezügen an diesem Abend.

Es ist ein herrlicher Open-Air-Konzerttag: Pfingstmontag, die Leute hatten frei und viele von ihnen nutzten das ganz offensichtlich, um sich anständig auf dieses Ereignis vorzubereiten. Pogo tanzen ohne angemessenen Alkoholpegel geht ja nicht – und dementsprechend gut angeheitert tanzen sie nun Pogo. Und das geht auch, wenn man die Blüte der Jugend schon eine Weile hinter sich gelassen hat.

Die Ärzte ziehen ihren Auftritt eher routiniert durch. Exaltiertheiten sind nicht drin, gleich am nächsten Tag steht schon wieder ein Konzert in der Parkbühne Wuhlheide an und im Schnitt mögen die Mitglieder der Ärzte jünger sein als die der Rolling Stones, die gerade auch mal wieder die Welt betouren, so viel aber auch nicht. Gespielt wird ein Potpourri aus Altem und Neuem, bekannten Hits und Obskuritäten.

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Man hat jedoch das Gefühl, dass es eh egal ist, was diese Band auf der Setlist stehen hat, das Publikum wirkt stets zufrieden und singt sowieso bei fast jedem Lied begeistert mit. Eine Band mit solch ergebenen Fans, wie sie Die Ärzte haben, muss vielleicht auch gar nicht mehr tun, als ein solides Konzert abzuliefern. Mehr scheint sie auch gar nicht im Sinne zu haben.

Meist singt Farin Urlaub, hin und wieder auch Bassist und Gitarrist Rodrigo González. Mal steht einer der beiden rechts auf der Bühne, dann der andere. Und Bela B. haut wie gehabt hin und wieder im Stehen auf sein Schlagzeug, in seinem Alter sitzt man aber auch ganz gerne mal bei der Arbeit.

Typisch Die Ärzte gibt es viele kleine Witze, die Kunst der Ironie gehört ja mit zum Markenkern, und man zieht sich gerne auch mal gegenseitig auf. Aber nicht zu sehr und nicht zu arg. Es kursieren schließlich weiterhin Gerüchte, dass bei der Band nicht nur eitel Sonnenschein herrschen würde, selbst von einer erneuten Trennung ist die Rede. Da möchte man wahrscheinlich nur ungern zwischenmenschliche Grenzen auf der Bühne und vor Publikum ausloten.

Die Ärzte im SO36.
Die Ärzte im SO36.

© Jörg Steinmetz

Kleine Witze, wenn man das so nennen möchte, schleichen sich auch in den Vortrag der Ärzte-Lieder ein. Gleich zwei Mal gibt es Anspielungen auf den Trio- Hit „Da Da Da“, „Surfin’ Bird“ von den Trashmen wird zitiert und in „Die Wiking-Jugend hat mein Mädchen entführt“ erkennt der Fachkundige natürlich ein Ramones-Cover.

Das nebenbei noch einmal unterstreicht, dass Die Ärzte im Grunde eben doch noch immer ein Stück weit eine Band ist, die sich dem Punk verpflichtet fühlt. Auch wenn das von manchen angezweifelt wird.

Die eine Band ist, die aber auch Sachen macht, wie das Publikum dazu aufzufordern, ihren Song „Anneliese Schmidt“ nicht nur mitzusingen, sondern dazu auch noch mit den Armen zu winken. Das erinnert dann doch weniger an die Ramones und als an ein Schlagerfestival.

Die Leute in der Zitadelle Spandau sind aber mit allem zufrieden und es ist ihnen auch sicherlich piepegal, was hier Punk und was eher Schlager ist. Die Musik sei super, sagt etwa Daniela, die auf die Frage, was sie hierher gezogen habe, bloß antwortet: „Jugend“. Sie stelle nur gerade fest, dass sie das Besuchen von Konzerten nicht mehr so gewohnt und das Herumstehen vor der Bühne doch recht anstrengend sei.

Man trifft auf Salah, der extra aus Essen angereist ist, weil seine Freundin so ein großer Fan der Ärzte und der ebenfalls begeistert ist von der Show sei. Und dann sind da noch Deborah, Julian und Johannes, die alle Ärzte-T-Shirts tragen. Zwei der drei stammen aus Spandau. Deborah erzählt, dass sie zwangsläufig Fan der Band werden musste, denn in ihrem Spandauer Elternhaus lief regelmäßig der Ärzte-Hit „Männer sind Schweine“. Da sei sie so um die fünf Jahre alt gewesen.

Und jetzt ist sie wieder dort, wo sie groß wurde. Genau wie ihre Lieblingsband. Und es fühlt sich für sie einfach nur toll an.

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