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Lady Gaga, Jada Pinkett Smith, Alicia Keys, Michelle Obama und Jennifer Lopez bei der 61. Grammy-Verleihung.

© Robyn Beck/AFP

Die 61. Grammys in Los Angeles: Musik ist meine erste Liebe

Wer regiert die Welt? Und die Popmusik? Natürlich die Frauen: die 61. Grammy-Verleihung mit Michelle Obama, Alicia Keys, Lady Gaga und Kacey Musgraves.

Es war dann keiner der üblichen Popstars, der diese 61. Grammy-Verleihung in Los Angeles zu einer besonderen machte, zumindest kein Popstar mit einem musikalischen Werk, sondern Michelle Obama, die einstige First Lady der Vereinigten Staaten. Gleich nach der Begrüßung hieß die Moderatorin des Abends, Alicia Keys ein paar ihrer „Schwestern“ willkommen, und Michelle Obama kam in einem grau-schwarz-glitzernden Kleid auf die Bühne, zusammen mit den Musikerinnen Lady Gaga, Jada Pinkett Smith und Jennifer Lopez. Ihr kurzer Auftritt war der frühe Höhepunkt dieses Abends, obwohl Obama weder eine Kandidatur für das Präsidentenamt verkündete, was viele Amerikaner und Amerikanerinnen hoffen, noch sonst wie explizit politisch wurde.

Michelle Obama sprach allein über die Musik, darüber, wie sie ihr immer geholfen habe, „meine Geschichte zu erzählen“. Dass Musik helfe, egal ob Country, Rock oder Rap, „uns selbst mitzuteilen - unsere Würde und Sorgen, unsere Hoffnungen und Freuden“. Und dass sie zeige, wie wichtig „jede Geschichte in jeder Stimme ist, jede Note in jedem Song “.

Im Zeichen der Musik also stand diese Grammy-Verleihung, so hatte es Alicia Keys schon in ihrer Ansprache vorgegeben, und die Politik schwang dieses Mal, zwei Jahre nach Donald Trumps Amtsantritt, nurmehr zwischen den Ansprachen und Songzeilen mit. Und vor allem dominierten, auch das zeigte Obamas Auftritt im Kreis ihrer „Sisters“, die Sängerinnen und Musikerinnen der Branche. Im vergangenen Jahr wurde massiv Kritik daran geübt, dass wieder nur überwiegend Männer nominiert worden waren und dementsprechend viele Preise gewonnen hatten. In vier der wichtigsten Kategorien, darunter dem Album des Jahres, dem Song des Jahres und dem „Best New Artist“ hatte es gleich acht statt der üblichen fünf Nominierungen gegeben, um für mehr Diversität zu sorgen, die Grammy-Academy hatte sich selbst neue Mitglieder und Statuten gegeben, und während der über dreistündigen Show waren es vor allem weibliche Acts, die auf der Bühne für die musikalischen Einlagen sorgten

"Childish Gambino" bekam für "This is America" den Grammy für den besten Song des Jahres

Was die Awards betrifft, werden diese Grammys als solche in Erinnerung bleiben – was angesichts der Vielzahl der Preise sowieso Jahr für Jahr fraglich ist, es gibt 84 Kategorien –, bei denen Musikerinnen am erfolgreichsten waren. Der Country-Star Kacey Musgraves gewann den Grammy für das beste Album des Jahres, für „Golden Hour“, sowie drei weitere Preise. Musgraves repräsentiert das weiße Amerika, das Ur-Amerika, wenn man so will, das global, anders als R&B und Hip-Hop, nur eine untergeordnete Rolle spielt. Drei Grammys gingen an Lady Gaga, unter anderem für die beste Soloperformance mit ihrem Song „Joanne (Where do you think you´re goin’)“, und zweimal wurden die Sängerinnen H.E.R. und Duo Lipa ausgezeichnet, erstere für das beste R&B-Album und die beste R&B-Performance, letztere, aus Großbritannien stammend, als beste neue Künstlerin und für die beste Tanz-Aufnahme.

Einer der großen Gewinner war überdies der Rapper Childish Gambino, der bürgerlich Donald Glover heißt. Für „This Is America“ bekam er den Grammy für den besten Song des Jahres und den für die beste Rap-Performance, was beides auch an dem Video liegen dürfte, in dem provozierend brutal erzählt wird, was es heißt, in den USA schwarz und chancenlos zu sein.

Drake sagte, als er seinen Grammy hochhielt: "Das hier brauchst du nicht"

Selbst diese Awards an Childish Gambino waren eine bewusste Demonstration, wurde der Grammy-Academy in den vergangenen Jahren doch vorgehalten, trotz ständiger Nominierungen zu wenige Rap- und R&B-Acts in den wichtigsten Kategorien auszuzeichnen. Deshalb machten Rapper wie Jay-Z oder Kanye West oft Ärger oder blieben den Verleihungen fern, so wie in diesem Jahr eben jener Childish Gambino und Kendrick Lamar. Auch der kanadische Rapper Drake wollte ursprünglich nicht kommen. Drake aber war doch überraschenderweise da, nahm seinen Preis für den besten Rap-Song des Jahres entgegen und sprach in seiner Dankesrede davon, wie weit eine Veranstaltung wie diese von den Straßen und Vierteln entfernt sei, in denen Rapmusik und Hip-Hop gehört werde: „In diesem Business gibt es haufenweise Leute, die sich womöglich nicht vorstellen können, was ein kanadisches Kind gemischter Abstammung oder ein cooles spanisches Mädchen oder ein Bruder aus Houston zu sagen haben. Man hat als Musiker schon gewonnen, wenn es Leute gibt, die deine Songs Wort für Wort mitsingen.“. Und dann hielt er seinen Grammy für seinen unsäglichen Song „God´s Plan“ (und vermutlich für das noch unsäglichere Ich-verschenke-an-die-Armen-eine-Million-Dollar-auf-der-Straße-Video) hoch und sprach: „Das hier brauchst du nicht.“

"Who runs the world", fragte Alicia Keys

Damit mach er natürlich Punkte bei seinen Fans. In Drakes Feststellung klang überdies mit, ob es die Grammys überhaupt noch braucht? Ob sie mehr sind als eine reine Ehrerweisung für Popmusiker, die am Ende ihrer Karrieren sagen können, mehrfache Grammy-Siegerinnen zu sein.

Die Zukunft der Popmusik lässt sich hier jedenfalls nie in Ansätzen ausmachen. Dafür fehlt es den Grammy-Nominierungen an jedweder Überraschung, ist die Grammy-Verleihung trotz politischer Statements das ultimative Mainstream-Pop-Ereignis, ist Popmusik, die gute, ästhetisch wegweisende zumal, viel zu flüchtig. Die Grammys feiern nur den Pop, der den Mainstream regiert, was Hip-Hop und R&B sowieso schon lange tun. Und dafür geht es hier nach wie vor vor allem darum, dass die Größen der Branche sich selbst feiern. Immerhin sprach Alicia Keys nach den Worten Michelle Obamas davon, dass sie hier und heute „die Größe von uns und in uns allen durch Musik“ feiern wollten. Vielleicht hilft den Grammys dann wenigstens Keys schön rhetorisch gemeinte Frage: „Who runs the world?“. Die bejubelte selbst einer wie Drake.

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