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Schauplatz Corderie. Zur Biennale füllt sich die ehemalige Seilerei mit Kunst.

© Giulio Squillacciotti

Die 59. Biennale di Venezia: Statt der Kerle kommen die Frauen nach vorn

Nach drei Jahren gibt es wieder eine Kunstbiennale in Venedig. Auf der Teilnehmerliste stehen vor allem Künstlerinnen. Ein gutes Signal.

Zu den Ritualen im Vorfeld der Biennale di Venezia gehörte bisher immer, dass der Präsident und die Kuratorin beziehungsweise der Kurator der Hauptausstellung im Februar nach New York, London, Paris und Berlin reisen, um das Programm vorzustellen. Nicht so dieses Jahr: kein Empfang in der Italienischen Botschaft am Tiergarten mit Häppchen und Getränken, Bildern und Ankündigungen. Diesmal kam die Mitteilung gestreamt aus der Sala delle Colonne in der Ca’Giustinian, dem Verwaltungssitz der Biennale am Canal Grande.

Aber nicht weniger vorfreudig: Endlich findet die Kunstbiennale wieder statt nach einem Jahr Verzögerung wegen Corona (23. April bis 27. November). Die Architekturbiennale hat bereits 2021 vorgemacht, wie die Abstandsregeln in den Giardini eingehalten werden können.

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Ein historischer Moment, betonten überschwänglich sowohl der 2020 neugewählte Präsident Roberto Cicutto als auch Kuratorin Cecilia Alemani, die mit ihm zusammen nominiert worden war. „Die Milch der Träume“ hatte Alemani schon im letzten Sommer als Losung für ihre Ausstellung ausgegeben. Aus Träumen werden Tatsachen, endlich wird es real.

Leonora Carringten schuf sich eine Welt surrealer Wesen

Das Motto ist einem Buch von Leonora Carrington (1917 – 2011) entnommen, der britischen Surrealistin und einstigen Partnerin von Max Ernst, die seit ihrer Flucht aus Paris vor den Nationalsozialisten bis zu ihrem Tod in Mexiko lebte, wo sie die Wände ihres Heims mit hybriden Tier-Mensch-Figuren bemalte.

Später übertrug sie diese in ein Notizbuch, fügte fantastische Erzählungen hinzu, die einer Welt entsprungen scheinen, in der jegliche Transformationen möglich sind. Mit den Phantasmagorien der großartigen Malerin, die es als Autorin noch zu entdecken gilt, wird der Ton für die 59. Biennale gesetzt als Ort fluider Lebensformen.

Wie würde der Planet ohne die Menschen aussehen, lautet eine Leitfrage

Cecilia Alemani, die bereits vor fünf Jahren den viel beachteten italienischen Pavillon unter dem Titel „Die magische Welt“ kuratiert hatte, knüpft diesmal gezielt an historische Positionen an und landet doch immer wieder in der Gegenwart und der existenziellen Bedrohung nicht erst seit dem Auftauchen eines Virus. So stellt sie als Ausgangsfragen: Welche Überlebenschancen hat die Menschheit? Wie würde der Planet ohne sie aussehen? Die Surrealist:innen hatten sich bereits in den 1920ern und 1930ern posthumane Modelle ausgemalt, welche eine erstaunliche Wiederkehr in der aktuellen Bilderproduktion erfahren.

Alemanis vornehmlich mit Künstlerinnen besetzte Liste (213 Teilnehmer:innen insgesamt) liest sich furios: Angeführt wird sie von den Surrealistinnen Leonora Carrington, Leonor Fini und Dorothea Tanning, zwei weiteren Gefährtinnen von Max Ernst, die in „Zeitkapseln“ gezeigt werden, dazu kommen Vertreterinnen des Futurismus und des Bauhaus, darunter die Fotografin Gertrud Arndt.

Barbara Kruger präsentiert als Finale in der Corderie eine Textinstallation

Auf der Biennale wird es viele Pionierinnen wiederzusehen geben, etwa die abstrakte Malerin Vera Molnár oder die Medienkünstlerin Lynn Hershman Leeson, als jüngere Generation ist die Performerin Alexandra Pirici vertreten, dazu Malerinnen wie Amy Sillman und Paula Rego. Das Finale in der Corderie bildet eine Textinstallation der US-Künstlerin Barbara Kruger, die parallel in der Neuen Nationalgalerie einen Auftritt hat.

Ohne es mit einem Wort erwähnt zu haben, wird die 59. Ausgabe eine sehr feministisch orientierte Biennale sein. Kein Sonderweg, sondern eine erfrischende Belebung für ein ansonsten unter seinen Repräsentationsansprüchen ächzendes Ausstellungsformat. Der deutsche Pavillon reiht sich in den Aufbruch ein. Darin stellt die Berliner Künstlerin Maria Eichhorn aus: allerdings wohl eher kühl-konzeptuell – und sehr real.

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