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Die zweieinhalb Meter hohe Kugel aus rostfreiem Stahl ist Teil einer Installation von Ernst Hermanns auf der Art Cologne. Die Galerie Edith Wahlandt hat sie aus Stuttgart mitgebracht und für 240.000 Euro verkauft

© Reuters / Wolfgang Rattay

Die 49. Ausgabe der Kölner Kunstmesse Art Cologne: Lichte Momente

Kirchner, Knoebel, Katzen: Die Art Cologne ordnet sich im 49. Jahr ihres Bestehens wieder einmal neu.und verteidigt ihren Ruf als wichtigste deutsche Kunstmesse

Zwölf Euro und fünfzig Cent – mehr muss man nicht zahlen, um mit einem echten Kunstwerk die Kölner Messehallen zu verlassen. Am Stand des Neuen Aachener Kunstvereins ist dieses Schnäppchen von Daniel Pflumm zu erwerben. Ein faltbarer Karton in einer Auflage von 1100 Exemplaren, dessen praktische Vorzüge Ben Kaufmann als Leiter des innovativen Ausstellungshauses und ehemaliger Berliner Galerist glaubwürdig zu demonstrieren weiß. Seine Gelegenheit, die inzwischen 49. Art Cologne. Sie präsentiert sich nun in Halle 11 auf drei statt auf zwei Ebenen und trennt die zeitlichen Horizonte der Kunst des 20. und 21. Jahrhundert. Auf der ersten Etage finden sich bei knapp vierzig Galerien Werke der klassischen Moderne und Nachkriegskunst, darunter mit dem „Sommernachtstraum“ von Ernst Ludwig Kirchner (Samuelis Baumgarte) auch das teuerste Gemälde für mehr als sieben Millionen Euro. Bei Utermann, Döbele, Ludorff & Co mischt sich zu etablierten Positionen aber auch zwanglos Zeitgenössisches. Die mittlere Etage zeigt etablierte Gegenwartskunst, bei etwa hundert Teilnehmern glänzen nicht nur im Entrée Namen wie Contemporary Fine Arts (CFA), Karsten Greve oder David Zwirner. Schließlich zeigt die oberste Etage mehrheitlich junge Vertreter der Gegenwart, deren Galerien zum Teil als Doppelstände Kräfte bündeln. So vereint die Art Cologne drei Messen in einer. Die chronologische Ordnung ist schlüssig, der Gesamtumfang mit 209 Galerien für Besucher zu bewältigen und der neue Grundriss der Stände gibt der Messe eine Großzügigkeit. Entsprechend entspannt gibt sich die Traditionsmesse, obwohl das Grollen über die Novellierung der Besteuerung von Kunst nicht zu überhören ist. Kristian Jarmuschek, Vorsitzender im Bundesverband Deutscher Galerien (BVDG), hielt auf der Pressekonferenz eine engagierte Rede, um die versammelten Medien für die Nöte seiner Zunft zu sensibilisieren.

Henze & Ketterer zeigen ein Meisterwerk des Informel

Unter den ausgestellten Werken mögen Sensationen fehlen, aber wer in Köln als Sammler oder Besucher nicht auf seine Kosten kommt, ist möglicherweise selbst schuld. So konzipierten Beck & Eggeling einen „Lichtraum“ mit Werken von Heinz Mack aus allen Schaffensphasen (80.000– 500.000 €). Und wen die großartige Polke-Schau im Museum Ludwig inspiriert hat, dem empfiehlt sich ein Besuch bei Heinz Holtmann. Sigmar Polkes „Froschkönig in seinem Garten“ (1997) ist ein beängstigend schönes Bild, das die Summe seiner malerischen Experimente vereint und den Preis von 1,3 Millionen Euro verdient. Märchenhaft klingt auch der Titel einer Collage des wenig bekannten Künstlers Curt Ehrhardts. Seine komplexe Arbeit „Die Waldfee auf der Himmelswiese“ (1922) hat mit 35.000 Euro nicht nur einen moderaten Preis. Bei allen Anleihen besitzt dieses Bild eine Originalität, die sich bis heute nicht verbraucht hat. In der Nachbarschaft hängt ein Diptychon Fred Thielers bei Henze & Ketterer aus der Schweiz. Das zweiteilige Bild von 1994 für 190.000 Euro ist ein Meisterwerk des europäischen Informel. Thieler zeigt sich auf Augenhöhe mit deutlich teureren Kollegen. Bei Thomas aus München findet sich mit Simon Schubert eine spannende zeitgenössische Position. Seine Papierfaltungen erschöpfen sich nicht in Virtuosität, sie erschaffen in ihrer ambivalenten Medialität eine ebenso zwiespältige Stimmung, die Schubert als Erben der Symbolisten auszeichnet.

In einem Video räsonnieren Katzen über Immobilienspekulation

Wer vom Untergeschoss in die mittlere Ebene wechselt, wird sich auch hier schwer in der Wahl seiner Favoriten tun. Natürlich locken die üblichen Verdächtigen, aber wenn schon Beuys, warum dann in der achtteiligen Foto-Edition von Tacita Dean bei Niels Borch Jensen (29.000 €). Sie hat 2008 am Hessischen Landesmuseum in Darmstadt die textile Wandverkleidung fotografiert, die den berühmten Darmstädter Werkblock von Beuys umgab, bevor sie der Renovierung zum Opfer fiel. Gegenüber dem intimen Format der Britin gibt sich die Beuys-Schülerin Katharina Sieverding gewohnt monumental. Sabine Knust zeigt eine dreiteilige Arbeit von 1975. Die aufgerasterte Fotografie ist ein außergewöhnlich frühes Zeugnis großer Abzüge. Ebenso außergewöhnlich ist der exzellente Erhaltungszustand, der den Preis von 180.000 Euro rechtfertigt. Noch seltener als fotografische Arbeiten sind Videos. Christine König zeigt dennoch den Rumänen Ovidiu Anton, der im urbanen Kontext arbeitet und vor Ort kritische Fragen zum Verhältnis von Ökonomie und Gesellschaft stellt. So lässt er in „Street Cat Deluxe“ Katzen über das Phänomen der Immobilienspekulation räsonieren. Eher von der ästhetischen Seite beleuchtet Ina Weber den Themenkreis Architektur. Die Künstlerin, die 2013 im Haus am Waldsee reüssierte, zeigt in „Ecke“ städtisches Mobiliar wie Kleider- und Glascontainer aus Keramik für 18.000 Euro (Hammelehle und Ahrens). Selbst kleine Stände lohnen den Besuch, wie Jean Brolly, der Jan Kämmerling dabeihat. Dessen abstrakte Arbeiten aus Metall pendeln zwischen Malerei und Relief und kosten 2500 bis 6000 Euro. Auch die Skulpturen von Florian Baudrexel bei Linn Lühn sind mit 13.500 Euro bezahlbar. Die unprätentiösen Gipsskulpturen greifen unmissverständlich Formen der klassischen Moderne auf und fragen auf kluge, witzige Weise nach Materialität, Wert und Präsentation von Skulptur. Auch im dritten Stock kommt Humor nicht zu kurz. Die Kölner Galerie Rehbein zeigt hier zusammen mit Stalke aus Dänemark William Anthony. 1934 geboren, ist der US-amerikanische Künstler alles andere als ein Newcomer. In Comic-Manier nimmt Anthony die Kunstgeschichte genauso aufs Korn wie explizit erotische Bildwelten. Bislang wurde er gern von anderen Künstlern gesammelt, seine Preise rangieren zwischen 1300 Euro für Zeichnungen und 13.000 Euro für Gemälde. Eine weitere Soloschau zeigt die Galerie Canada mit Matt Connors. Objekthaft stehen die Arbeiten des Künstlers schräg gegen die Wand gelehnt. Farbige, im Licht sehr malerisch erscheinende Tafeln, die wie ein Hybrid aus Gemälden Mark Rothkos und Bildern Imi Knoebels wirken, kosten zwischen 30.000 und 45.000 Dollar.

In der Galerie Hardhitta bilden die beiden Fotografen Joseph Rodriguez und Jamel Shabazz aus New York den Gegenpol zu den ruhigen, rheinischen Positionen von Andreas Breuning und Martin Weidemann (Warhus Rittershaus). Bleibt noch ein Cliffhanger: Gerüchten zufolge soll die Art Cologne ab 2015 wie früher im Herbst stattfinden. Das wäre eine Überraschung für das Jubiläumsjahr!
Art Cologne, Halle 11, bis 19.4., www.artcologne.de

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