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Letzte Rettung Einwurfschlitz. "Notgroschen"-Plakast der Stadtsparkasse aus dem Jahr 1953.

© Deutsches Historisches Museum

DHM-Ausstellung zum Sparen: Mit Zuckerbrot und Zinsen

Der Mythos von der schwarzen Null: Das Deutsche Historische Museum erzählt die Geschichte einer deutschen Tugend - des Sparens.

Geld ist eine Idee, eine Abstraktion. Sich vorzustellen, was Kaufkraft bedeutet, fällt manchmal schon bei einer kleinen Summe schwer. Ein Mädchen steht vor einem Schaufenster, sein Blick ist gebannt von einem Teddybär. Was der wohl kostet? „Zehn Mark“, sagt ihr Vater. Das sind tausend Pfennig, und dann sieht das Mädchen tausend Pfennigstücke herabregnen, ein Schleier aus Münzen, und beginnt zu weinen. Der Werbefilm „Barbara und der Teddybär“ stammt von 1956 und hat natürlich ein Happy End, denn die kleine Barbara beginnt zu sparen, und als sie groß ist, kann sie den Betrachter durch eine schön eingerichtete Familienwohnung führen, möbliert mit den Mitteln aus ihren Ersparnissen.

„Sparen – Geschichte einer deutschen Tugend“ heißt die Ausstellung des Deutschen Historischen Museums, die sich mit der seltsamen, wohl landestypischen Obsession für die schwarze Null beschäftigt. Auch der große Traum der kleinen Barbara kommt darin vor. Keine Schulden machen, stets bescheiden bleiben, das sind Erziehungsziele, die bereits seit der Kaiserzeit auf dem Lehrplan stehen. Wer zehn Pfennig in den Schlitz eines Sparautomaten warf, der in einer Schöneberger Schule stand, bekam einen Sparschein, der später auf dem Sparkassenbuch gutgeschrieben wurde. Spardosen in Form einer „Deutschen Volksschule“ oder eine „Schulsparkasse“ mit 60 Fächern, die nach dem Zweiten Weltkrieg in einem Klassenzimmer hing, bezeugen eine spezielle Form von Pädagogik: Drill mit Zuckerbrot und Zinsen.

„Bienenfleiß und Sparsamkeit helfen dir zu jeder Zeit“ lautet der Slogan eines Plakats, das dem geschäftigen Insekt huldigt. Auch das Eichhörnchen wirbt als Symboltier dafür, etwas auf die hohe Kante zu legen: „Spare in der Zeit – dann hast du in der Not.“ Eine andere Metaphorik weist aufs Feld völkischer Ideologien: Ein Bauer bringt Saatgut aus, Pfennige schießen wie Weizenhalme hoch. „Wer sät – erntet“, weiß der Merksatz.

Eine Spardose mit Werbeaufdruck der Dresdner Bank von 1949.
Eine Spardose mit Werbeaufdruck der Dresdner Bank von 1949.

© Deutsches Historisches Museum

Erstaunlicherweise hat sich im Land der Sparer noch nie eine kulturhistorische Ausstellung mit dem Thema beschäftigt. Der Kurator Robert Muschalla sieht das Unternehmen auch als Beitrag zur „sozialpsychologischen Forschung“. In vielen Archiven sind Dokumente zum Sparen abgelegt, aber interessiert hat sich dafür kaum jemand. Einige Kartons, erzählt Muschalla, habe er bei den Recherchen „zum ersten Mal seit Jahrzehnten“ geöffnet. Sparen gilt in Deutschland als selbstverständlich. Dabei trägt es oft irrationale Züge. Selbst als die Hyperinflation von 1923 viele Vermögen vernichtet und die Rentenmark das alte Geld ersetzt hatte, blieb die Sparquote relativ konstant.

Die erste deutsche Sparkasse wurde 1778 in Hamburg gegründet

Damals sprach der Direktor der Berliner Sparkasse von einem „Sparwunder“. Noch ein zweites Mal gingen im 20. Jahrhundert viele Ersparnisse verloren, 1948 bei der Währungsreform. Doch die Deutschen sparten im Wirtschaftswunder umso erbitterter weiter. Und heute? Da liegt trotz Nullzins immer noch viel Geld auf den Banken. Die Sparerziehung, konstatiert Muschalla, führe nicht immer zum „ökonomisch richtigen Handeln“. Etwa fünfzig Prozent der Deutschen zahlen für eine Riester-Rente ein und helfen damit dem Staat, sich aus der Verantwortung zurückzuziehen. Aber vierzig Prozent sparen gar nichts, viele besitzen nicht einmal ein Bankkonto. Ihnen fehlt die Sparfähigkeit, nicht der Sparwille.

Sparen kann, wenn es verordnet wird, auch eine Machtdemonstration sein. Gezeigt hat sich das zuletzt in der von Deutschland betriebenen Austeritätspolitik nach dem griechischen Finanzkollaps. Im Eingang der Ausstellung werden zwei entgegengesetzte Krisendeutungen präsentiert. Die griechische Zeitschrift „Crash“ hat auf ihrem Cover Bundeskanzlerin Merkel in orangefarbene Sträflingskluft gesteckt, während der deutsche „Focus“ bang fragt: „Ist unser Geld verloren?“ Die erste deutsche Sparkasse wurde 1778 in Hamburg gegründet, 1786 folgte Oldenburg und 1791 Kiel. Der norddeutsche Protestantismus mit seiner innerweltlichen Askese lieferte offenbar gute Voraussetzungen für Sparmaßnahmen. Zu sehen sind frühe Sparkassenregister und Hauptbücher voller handschriftlicher Einträge, auch ein Porträt von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, dem vor 200 Jahren geborenen Gründerväter der Genossenschaftsbewegung.

Berliner Sparautomat für Schulkinder aus dem Jahr 1910.
Berliner Sparautomat für Schulkinder aus dem Jahr 1910.

© Deutsches Historisches Museum

Das Sparen verband sich schnell mit anderen Ideologien, Nationalismus und Antisemitismus. Der Erste Weltkrieg wurde auch mit Groschen geführt, auf die Spardosen in Granat- und Bombenform warteten. In Berlin war der Patriotismus besonders groß: Um das Reichsbankgebäude windet sich auf einem Foto vom September 1914 eine lange bürgersteigbreite Schlange von Menschen, die Kriegsanleihen zeichnen wollten. Vier Jahre später wird ihr Geld weg sein, verdampft an der Front. Schnell finden sich die Schuldigen für den verlorenen Krieg, es sind dieselben, die angeblich auch 1923 hinter der Inflation und 1929 hinter dem Börsencrash stehen: die Juden.

Antisemitischer NS-Vergleich: sparendes Volk, raffendes Volk

Auf einem Flugblatt der NSDAP steht eine 19 mit 19 Nullen dahinter: 190 Trillionen. So groß ist angeblich die Summe, um die der „Staat von Weimar“ Mittelständler, Bauern und Arbeiter betrogen hat. „Der Jude, die Schieber, das Bank- und Finanzkapital triumphieren über die deutsche Arbeit“, heißt es. Zu dieser Zeit, kurz vor Hitlers Machtübernahme, galten die Deutschen als genetisch veranlagte Sparer, ihrem „schaffenden Volk – sparenden Volk“ wurden die Juden als „raffendes Volk“ gegenübergestellt.

„5 Mark die Woche musst du sparen, willst du im eigenen Wagen fahren“, warb ein Reim für den von Ferdinand Porsche entworfenen KdF-Wagen. Andere Konsumträume handelten von Fernreisen, etwa mit dem Kreuzfahrtschiff „Wilhelm Gustloff“, das als Modell zu sehen ist. Die KdF-Wagen rollten als Kübelwagen für die Wehrmacht aus der Fabrik, die mit Zivilisten und Soldaten überfüllte „Wilhelm Gustloff“ wurde 1945 von einem sowjetischen U-Boot versenkt. Je weiter entfernt der „Endsieg“ zu sein schien, desto „eiserner“ sollte gespart werden: „Kämpfen – arbeiten – sparen.“ 1943 nahmen die Einlagen um 30 Prozent zu, bei der letzten statistischen Erfassung im September 1944 belief sich das Sparvermögen im Deutschen Reich auf 97 Milliarden Reichsmark. Millionen Juden waren bereits ermordet worden. Im Ghetto Theresienstadt gab eine zu Propagandazwecken eingerichtete jüdische Bank noch 1945 „Spar-Karten“ aus.

Mit der Finanzkrise kehrte 2008 die Angst um das Geld zurück

Der KdF-Wagen mutierte in der Adenauer-Republik zum VW-Käfer. Sein Name war ein Reimport aus Amerika, die „New York Times“ hatte das bald meistverkaufte Auto der Welt „Beetle“ genannt. Damit konnte der Wartburg 311 in der DDR nicht mithalten, er wurde zwar auch ins Ausland geliefert, blieb zu Hause aber Mangelware. Im Westen erlebte der Hedonismus mit dem Zwecksparen eine Hochkonjunktur. „Sparen ist das Gegenteil von Geiz“, verkündete 1972 ein Plakat, auf dem eine Kleinfamilie Konsumgüter vorzeigt: Fernseher, Auto, Stereoanlage.

Mit der Finanzkrise kehrte 2008 die Angst zurück. Die kluge, überaus sehenswerte Ausstellung endet mit Fernsehschnipseln. „Wir sagen den Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind“, teilt Kanzlerin Merkel in der „Tagesschau“ mit. Ex-Finanzminister Peer Steinbrück klagt hingegen 2011: „Ich weiß bis heute eigentlich nicht, auf welcher rechtlichen Grundlage wir das gemacht haben.“ Das Finanzsystem bleibt undurchschaubar.

Deutsches Historisches Museum, bis 26. August, täglich 10–18 Uhr, Begleitbuch 25 €.

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