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Umstritten. Jan Schütte ist Direktor der Berliner Filmhochschule.

© Stefan Falke/DFFB

DFFB auf der Berlinale: Wie Filmstudenten das Festival erobern

Erfolge und Kontroversen prägen das Bilder der DFFB in der Öffentlichkeit. Deren Absolventen sind auf der Berlinale stark vertreten. Doch intern gibt es Streit um Direktor Jan Schütte. Die Studenten nehmen die Dinge nun selbst in die Hand.

Der erste Jahrgang hat Geschichte geschrieben. Die Studenten hießen Harun Farocki, Hartmut Bitomsky oder Holger Meins und drehten „Lehrfilme der politischen Ökonomie“. Weil sie glaubten, dass bald in Deutschland keiner mehr fernsehen würde, sondern alle abends bewusstseinsbildende Kurse besuchen wollten. So hat es Farocki mal erzählt, der mit anderen Renegaten Ende der sechziger Jahre von der Deutschen Film- und Fernsehakademie, der DFFB, flog. Die späteren Jahrgänge sind dann weniger durch Querelen aufgefallen. Dafür haben sie sich als legitime Erben des deutschen Autorenfilms hervorgetan. Berliner Schule gemacht. Christian Petzold, Angela Schanelec, das sind prägende Absolventen, die für eigene Handschriften stehen. Und in der Gegenwart? Ist die DFFB so stark auf der Berlinale vertreten wie seit Jahren nicht mehr. Fortgesetzte Erfolgsgeschichte. Zumindest auf den ersten Blick.

Im Forum laufen „Das merkwürdige Kätzchen“ von Ramon Zürcher und „Sieniawka“ von Marcin Malaszczak, in der Perspektive Deutsches Kino sind die Dokumentation „Einzelkämpfer“ von Sandra Kaudelka und der Spielfilm „Chiralia“ von Santiago Gil zu sehen. „Und Sie dürfen nicht vergessen, dass auch die beiden deutschen Wettbewerbsfilme von DFFB-Absolventen sind, Thomas Arslan, Horst Markgraf und Pia Marais“, erinnert Jan Schütte. Von seinem Büro im neunten Stock des Filmhauses im Sony Center kann der DFFB-Direktor über die Dächer des Potsdamer Platzes blicken. Er spricht über das Profil seiner renommierten Schule, die gerade mal 29 festangestellte Mitarbeiter habe und nur ein Viertel des Budgets der viel größeren HFF Konrad Wolff in Babelsberg. Und die trotzdem nicht weniger Filme produziere. Er zählt etliche berühmte Gastdozenten auf, er ist stolz auf seine Institution, das merkt man.

Gibt es so etwas wie den typischen DFFB-Stil? „Eher nicht“, entgegnet er. „Im Gegenteil: dass es ihn nicht gibt, ist das Entscheidende.“ Er nennt Titel der jüngeren Vergangenheit, „Berg Fidel“ von Hella Wenders, „Schwerkraft“ von Maximilian Erlenwein. Und sagt: „Die Studenten sollen persönliche Filme machen. Was nicht unbedingt identisch ist mit Autorenfilm.“

Sie dachte immer, es gäbe den charakteristischen DFFB-Film, den unverwechselbaren Look, erzählt Antonia Lange, Kamera-Studentin im ersten Jahr. Bestimmte Farben, eine Ruhe der Erzählung. Mittlerweile allerdings sei dies durch die Vielfalt der entstehenden Arbeiten widerlegt. Nichts mehr übrig vom Geist der alten Tage? „Die Filme sind vielleicht nicht mehr so politisch wie früher“, sagt sie. Aber es herrsche noch eine alternative Atmosphäre.

France Orsenne, Produktionsstudentin im vierten Jahr und verantwortlich für den Perspektive-Film „Chiralia“, sieht die Akademie dagegen klar in der Tradition verortet. Es gebe aufgrund der politischen Vergangenheit der DFFB das Bedürfnis, mit den Filmen wichtige Aussagen zu treffen. „Einfach nur eine funktionierende Geschichte erzählen – das reicht hier nicht.“ Und innerhalb der Studentenschaft herrsche durchaus das Avantgarde-Selbstbewusstsein vor: „Wir machen Filme für Cannes oder die Berlinale – nicht fürs Multiplex.“

Ramon Zürcher, Regisseur des radikal-eigenwilligen Forum-Beitrags „Das merkwürdige Kätzchen“ hat Kunst in der Schweiz studiert. Über die linke Tradition der DFFB wusste er zum Zeitpunkt seiner Bewerbung genauso wenig wie über die Filme der Berliner Schule. Er habe die DFFB als eine „Plattform des Experimentierens“ erlebt, sagt er, habe mit Dozenten inspirierende Auseinandersetzungen gehabt, die „für die Möglichkeit des Scheiterns plädiert haben“. Er hat noch unter Hartmut Bitomsky – dem vormaligen Alt-68er-Direktor – sein Studium begonnen. Lehrer wie Regie-Dozent Woyciech Marczewski oder die Kamerafrau Sophie Maintigneux seien „identitätsstiftende Persönlichkeiten“ gewesen, sagt er. Bloß hätten die alle die Akademie verlassen.

„Es ist ja kein Geheimnis, dass die Mehrheit der Studenten sich Sophie Maintigneux als Direktorin gewünscht hätte“, sagt Marcin Malaszczak, Regisseur von „Sieniawka“. Natürlich bringe es Reibung mit sich, wenn dann ein Kandidat wie Jan Schütte käme. Er befürchtet, dass unter dem neuen Direktor vieles „konventionalisiert“ würde, und er sagt: „Ein Direktor sollte auch Projekte, die er vielleicht nicht versteht, unterstützen.“

Schütte ist umstritten. Zuletzt ist die DFFB immer mal wieder wegen Studentenprotesten in die Schlagzeilen geraten. Es gab 2011 einen offenen Beschwerdebrief über Schüttes Führungsstil an Klaus Wowereit, in dem die sofortige Auflösung aller studentischen Mitbestimmungsorgane an der DFFB angekündigt wurde. Unterzeichnet: „Die Studenten der DFFB“. Schütte bleibt gelassen. „Einen anonymen Brief kann man nicht beantworten, das liegt in der Natur der Sache.“

Bezeichnend ist, dass sowohl Malaszczak als auch Zürcher ihre Filme auf eigene Faust beim Forum eingereicht haben, nicht die DFFB, die sich nun mit dem Erfolg schmückt.

„Man will natürlich politisiert sein“, glaubt France Orsenne. Frage sich aber: „Was ist eigentlich unser Statement?“ Da käme so ein Konflikt mit dem Direktor gerade gelegen. Klar verteilte Rollen, Gut gegen Böse. Vielleicht verkörpert Orsenne die neue Ära der DFFB. Eine gebürtige Französin, die mit einem argentinischen Regisseur und einer österreichischen Kamerafrau einen Film in der Perspektive Deutsches Kino platziert hat. Die sagt, es gebe an der DFFB zwar seit eineinhalb Jahren keinen Studentenrat mehr. Aber dafür nähmen die Studierenden jetzt eben viel mehr als früher selbst in die Hand.

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