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Gesellschaftspanorama: Gesangsprofis und Hobbysängerinnen haben ihre Videos eingereicht.

©  Deutsche Chorjugend

Deutsches Chorfest 2020: Ein virtueller Chor bringt die Menschen zusammen

Auch das Deutsche Chorfest in Leipzig fällt aus. Stattdessen haben sich die Veranstalter in diesem Jahr etwas Besonderes einfallen lassen.

Leipzig ist ganz Chor. So hatten es sich zumindest die Organisatoren des fünften „Deutschen Chorfestes“ überlegt. Sechs Tage lang sollten sich Chorfreunde und -fans in der Stadt treffen und messen, miteinander singen. Eine Mischung aus Festival, Wettbewerb und Mitmachkonzerten, wie es der Deutsche Chorverband seit 2008 alle vier Jahre in einer anderen Stadt veranstaltet. Rund 15 000 Sängerinnen und Sänger hatten sich angemeldet. Doch dann kam die Corona-Pandemie dazwischen.

Ganz abgesagt war das Fest damit aber nicht. Einige Begeisterte des hauseigenen Jugendverbands, der Deutschen Chorjugend, haben für dieses Eröffnungswochenende eine Ersatzveranstaltung organisiert: den größten virtuellen Chor Deutschlands.

„Zusammen singen wir stärker“ heißt das Lied, das Sänger Oliver Gies eigens dafür geschrieben hat. Noten für Bass, Tenor, Alt und Sopran finden sich seit Anfang April auf der Webseite der Deutschen Chorjugend, zusammen mit Gesangsbeispielen für jede Stimme. Alle sollten bei der Aktion mitmachen können. Die einzigen Voraussetzungen: Mikrofon und Kamera. Mit ihnen sollten die Sänger sich und ihren Gesang aufnehmen, das Video konnte man dann auf der Seite der Chorjugend hochladen.

Die Organisatoren arbeiten ehrenamtlich

Am Ende sind über tausend Menschen dem Aufruf der Organisatoren gefolgt, erzählt Maximilian Stössel. Der Musiker und Kulturmanager gehört zum Team hinter dem Chorprojekt. Seit dem 20. April sichten und ordnen Stössel und seine fünf Mitstreiter die Videos nach Singstimme und prüfen, ob an einzelnen Aufnahmen noch technische Details geändert werden müssen.

Die sechs Organisatoren arbeiten ehrenamtlich, die meisten Aufgaben übernehmen sie selbst. Nur in technischen und administrativen Belangen haben sie sich Unterstützung gesucht. Die Audiospuren baut etwa ein Tonmeister zu einem runden Chorklang zusammen.

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Einen Chor will man aber nicht nur hören, sondern auch sehen. Stössel und seine Mitorganisatoren haben die Videoaufnahmen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer deshalb zu einer Collage für das Multiscreen-Video zusammengeschnitten. „Hier singen Kinder und Senioren, Musikstudenten und Menschen, die noch nie in einem Chor gestanden haben“, erzählt Stössel. „Es geht quer durch die Gesellschaft – und das freut uns sehr.“

Aus der Musik Mut schöpfen

Auch wenn der virtuelle Chor ohne die Coronakrise wohl kaum entstanden wäre, liegt den Organisatoren eine grundlegendere Botschaft am Herzen. Schon der Liedtext betont die Bedeutung von Toleranz und Vielfalt und kritisiert rassistische Hetze.

Natürlich gehe es darum, Menschen trotz des Coronavirus zusammenzubringen und gemeinsam aus der Musik Mut zu schöpfen, sagt Stössel. „Es ist uns ein Anliegen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.“ Wer singt, erlebt Gemeinschaft auch mit Menschen, die einem erst einmal fremd erscheinen.

Stimme gegen Rassismus und für Toleranz

Ähnlich sieht es Emily Schütte. Die Psychologiestudentin ist dem Aufruf der Organisatoren gefolgt. Zusammen mit einer Freundin aus ihrem alten Schulchor hat sie sich beim Singen aufgenommen und die Aufnahme eingeschickt. Der virtuelle Chor zeige, wie man seine Stimme mit Musik gegen Rassismus und für Toleranz erheben könne, meint die Sopranistin. Und dass das Leben auch jetzt nicht stehen bleibt.

Die Rückmeldungen auf die Aktion seien positiv, sagt Stössel, von Internettrollen und Shitstorms seien sie bisher verschont geblieben. Im Lauf dieses Wochenendes wird das Video dann online gestellt. Auch die Noten sind auf der Webseite der Deutschen Chorjugend weiterhin zu finden – für alle, die auch noch mitsingen wollen.

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