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Öffentliches Gedenken nach 20 Jahren. Die Herausgabe dieses großen Markenblockes löste auch 1964 noch heftige Diskussionen aus. Der Block bemüht sich um Vielfalt des Widerstands, allerdings war es im Kalten Krieg undenkbar, auch einen Kommunisten zu ehren.

©  Rolf Brockschmidt

Deutscher Widerstand: Späte Würdigung

Dem deutschen Widerstand in seiner Vielfalt wurde nach 1945 lange der Respekt in der Öffentlichkeit versagt. Ein Gastbeitrag

Robert von Steinau-Steinrück ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung 20. Juli 1944, Axel Smend Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung 20. Juli 1944

Es dauerte sehr lange, bis der Widerstand gegen den Nationalsozialismus im öffentlichen Bewusstsein der bundesrepublikanischen Bevölkerung angekommen war. Viele Formen und Aktionen, die heute selbstverständlich zum Widerstand gezählt werden, waren lange Zeit heftig umstritten oder wurden scharf abgelehnt. In der Gesellschaft der Nachkriegszeit umgab das Odium des „Verrats“ noch lange die Bewertung der Taten von Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern.

Darunter litten nicht nur die Familienangehörigen der Menschen, die von der nationalsozialistischen Unrechtsjustiz ermordet worden waren. Auch jene, die die Verfolgung überlebt hatten, wurden vielfach gesellschaftlich ausgegrenzt und erhielten keine oder nur sehr spät eine materielle Entschädigung

Das Gedenken an die ermordeten Widerstandskämpfer geht vielfach nur auf die Initiative von Überlebenden und Angehörigen zurück. Um die gröbste materielle Not zu lindern, gründet sich bereits 1945 das Hilfswerk 20. Juli 1944. Seit 1952 gibt der Bund eine finanzielle Zuwendung an die Stiftung, um so die überlebenden Witwen und Waisen zumindest finanziell abzusichern. Von den Regeln des Bundesentschädigungsgesetzes bleibt dieser Personenkreis weitgehend ausgeschlossen.

Ein Beispiel: Erst nach einem neunjährigen Rechtsstreit erhielt die Witwe von Generalmajor Helmuth Stieff im Jahre 1960 eine Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Kriegsopferversorgung – 14 Jahre, nachdem ihr Mann vom „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt und in Berlin-Plötzensee erhängt worden war.

In der öffentlichen Wahrnehmung bedeutsam waren der Prozess 1952 gegen Otto Ernst Remer, der Überlebende des Widerstands diffamiert hatte. Remer wurde wegen übler Nachrede und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu einer Gefängnisstrafe von drei Monaten verurteilt. Wichtiger als dieses geringfügige Strafmaß waren die während des Verfahrens vorgelegten Gutachten, die die Legitimität des Widerstands gegen die Unrechtsherrschaft des Nationalsozialismus herausgearbeitet hatten.

Sonderausstellung „Ihr trugt die Schande nicht … Die frühe Erinnerung an den 20. Juli 1944“

Zum zehnten Jahrestag des Umsturzversuches hob Theodor Heuss 1954 die ethische und moralische Bedeutung des Widerstands gegen den Nationalsozialismus hervor, während sich Ernst Reuter bei seiner Gedenkrede am 20. Juli 1953 bereits auf den Volksaufstand am 17. Juni 1953 in der DDR bezogen hatte. In der Öffentlichkeit wurden jedoch die Widerstandskämpfer weiterhin negativ bewertet.

Diese durchaus widersprüchliche Entwicklung der Jahre bis 1955 zeichnet die Sonderausstellung „Ihr trugt die Schande nicht … Die frühe Erinnerung an den 20. Juli 1944“ jetzt in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand nach.

Doch es sollte noch Jahrzehnte dauern, bis die Vielfalt und Komplexität aller Formen des Kampfes gegen die nationalsozialistische Diktatur in der Öffentlichkeit anerkannt wurde. Dies zeigte sich auch noch in den Diskussionen um die Neugestaltung der Dauerausstellung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in den 1980er Jahren.

Heute verfolgt die Stiftung des 20. Juli 1944 das Anliegen, durch historisch-politische Bildungsarbeit Demokratie und Rechtsstaat zu stärken. So zeigt sie etwa in der Wanderausstellung „Was konnten sie tun? Widerstand gegen den Nationalsozialismus 1939-1945“ Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten, die sich auf ganz unterschiedliche Arten den damaligen Machthabern entgegen stellten.

Und auch die öffentliche Wahrnehmung hat sich gewandelt. Zum 75. Jahrestag des 20. Juli 1944 werden alle Anstrengungen des Widerstands gegen den Nationalsozialismus gewürdigt. Ebenso ein kritischerer Blick auf den Umgang mit dem Widerstand nach 1945 hilft uns, das Geschehen der ersten Nachkriegsjahrzehnte besser einzuordnen.

Bundespräsident Steinmeier bittet um Verzeihung

So schrieb Bundespräsident Frank Walter Steinmeier jüngst an die Stiftung 20. Juli 1944: „Mich erschüttert bis heute, wie lange auch nach 1949 dem Widerstand Anerkennung und Respekt verwehrt wurde, wie Betroffenen Renten und Versorgung verweigert wurden. Die junge Bundesrepublik hat gegenüber den Männern und Frauen des Widerstands, ihren Angehörigen und Hinterbliebenen Schuld auf sich geladen – dafür bitte ich ausdrücklich um Verzeihung.“

Und in dem gemeinsam von allen Fraktionen – bei Enthaltung der AfD – verabschiedeten Antrag über Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, der von der Bundestagsabgeordneten Elisabeth Motschmann initiiert wurde, hieß es am 28. Juni 2019, dass es der deutsche Bundestag bedauere, „dass der Mut und die Leistungen der Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus vor allem in der Zeit unmittelbar nach 1945 nicht ausreichend gewürdigt worden sind.“ Diese beiden Äußerungen zeigen, dass auch den heute politisch Handelnden die Nachkriegsdefizite im Umgang mit den Überlebenden des Widerstands durchaus bewusst sind – eine späte Genugtuung für die Angehörigen der Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer.

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