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Prämiert. Stephan Malinowski bei der Verleihung der mit 25000 Euro dotierten Auszeichnung.

© Monika Skolimowska/dpa

Deutscher Sachbuchpreis für Stephan Malinowski: Die Hohenzollern und ihre Lügen

Milieustudie über rechtskonservative und rechtsnationale Kreise: Stephan Malinowski wird für sein Buch "Die Hohenzollern und die Nazis" ausgezeichnet.

Es war an diesem kühlen Frühlingsabend im Saal 2 des Humboldt Forums wie immer bei großen Preisverleihungen: Der Gewinner des Deutschen Sachbuchpreises, Stephan Malinowski, zeigte sich freudig überrascht, dass er mit seinem Buch über die Kollaboration der Hohenzollern mit den Nazis ausgewählt wurde – auch wenn er versuchte, mit genau dieser Floskel vom „Überraschtsein“ sein Spielchen zu treiben, in dem er so tat, als würde er den Satz „Damit hätte ich überhaupt nicht gerechnet“ unbedingt vermeiden wollen.

Letztes Jahr gewann Jürgen Kaube

Doch Malinowski sagte auch, dass sein Überraschtsein sich auf die Aktualität und die Qualität der anderen nominierten Bücher beziehe, und damit lag er durchaus richtig. Denn zunächst war man doch etwas verblüfft ob dieser Wahl, da fühlte man sich an das vergangene Jahr erinnert, als Jürgen Kaube mit seinem Hegel-Buch den erstmals ausgelobten Deutschen Sachbuchpreis gewann.
Auch Malinowskis Buch scheint auf den ersten Blick am wenigsten zu dem Anspruch zu passen, den die Börsenvereinsvorsteherin Karin Schmidt-Friderichs für Sachbücher im Allgemeinen und diesen Preis im Besonderen formulierte: Sie sollten uns die Welt, in der wir leben, besser verstehen lassen.

Oder von „aktueller Relevanz“ sein, wie es die Juryvorsitzende Tania Martini sagte. Insofern hätte man, als Außenstehender, eher mit Alice Bota und ihrem Buch über die Frauen von Belarus gerechnet, mit Stefan Kreuzberger und seiner Untersuchung des deutsch-russischen Verhältnisses oder mit Nathan Sznaiders „Fluchtpunkte der Erinnerung“ über die Möglichkeit und Unmöglichkeit, den Holocaust und postkoloniale Verbrechen miteinander zu vergleichen.

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Wie lautete die Begründung der Jury für ihre Wahl: „Wer bestimmt die Lesart der Vergangenheit? Stephan Malinowski hat ein ausgezeichnet recherchiertes und brillant erzähltes Buch über die Rolle der Hohenzollern seit 1918 geschrieben.

In der Frage, ob das Herrscherhaus dem Nationalsozialismus Vorschub geleistet hat, ist die Antwort Malinowskis eindeutig: Beim Aufbau des ,Dritten Reichs‘ schmiedeten die Familie und die NS-Bewegung eine symbolisch-politische Allianz.

Leider beschäftigt das Thema immer noch die Gerichte, weil die Hohenzollern Ansprüche auf ihr 'Eigentum' erheben. Man hätte sie 1918 enteignen sollen, ganz wie es außerhalb Deutschlands überall gemacht wurde. Denn ihr Reichtum beruht auf dem, was Bauern und Bürger erwirtschaftet haben - nichts davon stammt aus eigener Arbeit.

schreibt NutzerIn JeanLuc7

Das Buch verbindet soziale und politische Zeitgeschichte mit einem Familienporträt und ist zugleich eine glänzende Milieustudie konservativer und rechter Republikfeindlichkeit. Es zeichnet sich durch stringente Argumentation und souveräne Quellenkenntnis aus. Malinowski gibt eine überzeugende Antwort auf die Restitutionsforderungen der Hohenzollern und verteidigt zugleich die Wissenschaftsfreiheit gegen Widerstände.“

Drei Generationen Hohenzollern im Porträt

Tatsächlich ist Malinowskis Buch nicht zuletzt eine Milieustudie über rechtskonservative, rechtsnationale Kreise bis heute, auch weil er gleich drei Hohenzollern-Generationen porträtiert, von Kaiser Wilhelm II. bis zu dessen Enkel Louis Ferdinand, der als „Chef des Hauses“ die Geschicke der Dynastie bis 1996 verantwortete.

Überdies ist das Buch, und da wird es hochaktuell, ein Lehrstück über die Mechanismen der Propagandamaschinerien, über Lügen, ja, „über Legenden, die nach 1918“ entstehen, wie es Malinowski ausführte: „Formal existiert diese Familie nicht mehr nach 1918, die Monarchie ist abgeschafft, aber die Personen leben noch, die Burgen und Schlösser gibt es noch, die charismatische Ausstrahlung, ihre Sendungsbereitschaft ist weiterhin vorhanden“. Wie die Hohenzollern ihre Geschichte erzählen, von der Weimarer Republik über die Nazizeit bis zur Zeit nach der Wiedervereinigung, das sei „eine Geschichte in sich selbst“, so Malinowski, mit vielen alternativen Fakten. Am Ende dürfte die Jury schon auch die bestmögliche Entscheidung getroffen haben.

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