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Arthouse-Kino. Das Delphi LUX der Yorck-Kinogruppe neben dem Bahnhof Zoo.

© Mike Wolff

Deutsche Kinobilanz 2018: Wer streamt, geht mehr ins Kino

15 Prozent weniger Kinobesucher - Schuld an diesen miesen Zahlen sind für viele Netflix und Co. Ein zweiter Blick offenbart: Ganz so einfach ist es nicht.

15 Prozent weniger. Die Kinobilanz 2018 fiel mit 100 Millionen Besuchern und einem Umsatz von knapp 900 Millionen Euro dramatisch schlecht aus, lag sie doch in etwa auf dem Niveau von 1992. In den fünf Jahren davor waren bei den Ticketumsätzen jeweils über eine Milliarde Euro erzielt worden. Als Gründe wurden der heiße Sommer, die Fußball-WM und das steigende Zuschauerinteresse an Serien und weiteren Angeboten der Streamingdienste genannt. Nun gibt es eine neue Analyse, die das Bild in ein etwas anderes Licht rückt.

Beim Kinokongress Anfang der Woche nahm sich der stellvertretende Vorstand der Filmförderungsanstalt FFA, Frank Völkert, die Marktdaten nochmals genauer vor. 2018 waren knapp 37 Prozent der Deutschen jährlich mindestens einmal ins Kino gegangen, über einen Zeitraum von zehn Jahren. Langfristig betrachtet ist das ein Rückgang um sieben Prozent, kurzfristig gesehen aber ein recht stabiler Wert. Es gingen kaum weniger Menschen ins Kino, aber diese lockte es seltener vor die große Leinwand.

Wettbewerb um das Zeitbudget

Auch liegt die Reichweite mit 37 Prozent immer noch über den 34 Prozent der Homevideo-Nutzer, genau wie im Vorjahr. Und viele, die zu Hause gucken, gehen auch ins Kino, nämlich 69 Prozent. Und das, obwohl die Umsätze im Segment Video on Demand deutlich gestiegen sind. Will heißen: Wer streamt, geht mehr ins Kino als diejenigen, die nicht streamen. Auch lässt sich an den Zahlen ablesen, dass die Kinobetreiber sich mehr und mehr auf Kundschaft einstellen müssen, die gleichzeitig Netflix und Co. zu schätzen weiß. Die Zahl der Kinogänger mit Streaming-Abo erhöht sich, womit sich „der Wettbewerb um das Zeitbudget der Kinogänger verstärkt“, sagt Völkert.

Deutsches Kinosterben findet trotzdem nicht statt

Er sieht die Hauptursache für die Rückgänge eher in der schwächeren Qualität des Angebots, im Fehlen erfolgreicher Blockbuster. Die Top-10-Titel liefen an der Kasse deutlich schlechter als 2017. Ebenso sank der Umsatz beim hochpreisigeren 3D-Markt. Auch Kulturstaatsministerin Grütters sagte bereits, es habe zu wenig zugkräftige Titel gegeben. Gegen diese These spricht, dass es nirgendwo sonst in Europa zu ähnlich drastischen Einbußen kam. In Großbritannien und Osteuropa erhöhte sich der Umsatz sogar. Dort war es ähnlich heiß – und es liefen die gleichen US-Blockbuster. In Ländern wie der Filmnation Frankreich gehen die Menschen schon deshalb bei jedem Wetter und trotz attraktiver Konkurrenz-Events ins Kino, weil Filme Tagesthema sind. Man möchte mitreden können.

Ein neues deutsches Kinosterben findet bisher trotzdem nicht statt. Die Zahl der Leinwände wie der Kinostandorte ist 2018 gestiegen, erstaunlicherweise.

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