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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender gedenken den Märzgefallenen.

© Wolfgang Kumm/dpa

Deutsche Demokratiebewegung: Vergrabene Erinnerung

Der 18. März und das Gedenken an die Anfänge der deutschen Demokratie. Bundespräsident Steinmeier würdigte die Gefallenen.

Drei Grabplatten aus Granit liegen am Eingang zum Friedhof der Märzgefallenen in Berlin-Friedrichshain. Auf der linken findet sich ein Spruch von Karl Liebknecht verewigt, auf der rechten einer von Walter Ulbricht.

Die mittlere trägt Namen von 33 Toten, die aber, wie eine Broschüre zu diesem Gedenkort mitteilt, nicht alle hier beerdigt sind. Bis heute, so die Broschüre, zeigt sich der Friedhof „in der Anmutung, die in der Denkmalskonzeption der DDR vorgesehen war“.

Dahinein schreitet der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit seiner Lebensgefährtin zur Mittagsstunde des diesjährigen 18. März, während die Sonne aus den Wolken hervorlugt und die Krokusse aus der Wiese, unter der sich die historischen Gräber der 48er befanden, der am 22. März 1848 beerdigten Opfer des Aufstandes vier Tage zuvor.

Der preußische König hatte vor ihnen den Hut ziehen müssen. Zuvor waren sie auf dem Gendarmenmarkt aufgebahrt, was Menzel in einem Gemälde festhielt, das er nie vollendete, so wenig das bürgerliche Aufbegehren zu seinen Lebzeiten ans Ziel kam.

Das Ziel hieß Demokratie. Sie wurde erprobt in der Nationalversammlung, die in der Frankfurter Paulskirche zusammentrat und im Jahr darauf ergebnislos auseinanderging. Aber es war ein Anfang. An ihn zu erinnern, ist der 18. März da, und dieser Erinnerung widmete der Bundespräsident Kranz und Ansprache. Aber wie das so ist mit deutschen Gedenktagen, hat auch der 18. März mehrere Anlässe; zu den der ersten und einzigen freien Wahlen der DDR im Jahr 1990.

Der Friedhof erinnert an zwei Revolutionen, die zweite im November 1918, und noch im selben Monat wurden deren Tote zu Grabe getragen. Diese Erinnerung war der DDR die wichtigere; aber beide liegen nun wie Schichten übereinander. Die Gräber der Märzgefallenen mussten in den vergangenen Jahren regelrecht wiederentdeckt werden, als stammten sie aus grauer Vorzeit.

Seit zehn Jahren gibt es eine provisorische Ausstellung auf dem Gelände, untergebracht in hochgereckten Containern und im Freien ergänzt durch metallene Stelen mit Schrift und Bild. Künftig soll ein Besucherzentrum bessere Möglichkeiten bieten, dafür sind 6,2 Millionen Euro jeweils hälftig von Bund und Land bewilligt. Ein Architekturwettbewerb steht in diesem Jahr zur Ausschreibung an, die Fertigstellung wird für 2024 erhofft.

Die Paulskirche in Frankfurt am Main ist ein hervorragendes Denkmal deutscher Geschichte. Aber nicht das einzige.
Die Paulskirche in Frankfurt am Main ist ein hervorragendes Denkmal deutscher Geschichte. Aber nicht das einzige.

© akg-images

Steinmeier hat sich die Erinnerung an die Orte der Demokratiegeschichte zur Herzensangelegenheit gemacht. Es ist dies ein auch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung verankertes Ziel. Quasi auf den letzten Drücker hat das Bundeskabinett jetzt einen von Kulturstaatsministerin Grütters vorgelegten Gesetzesentwurf für eine Stiftung „Orte der deutschen Demokratiegeschichte“ beschlossen. Als Sitz ist Frankfurt am Main vorgesehen, historisch plausibel, aber nicht zwingend; Rastatt oder Hambach wären Alternativen. Diese Orte kämpfen mit ihrer geografischen Randlage, während Frankfurt in der Mitte liegt. Dort aber drückt das Problem der Paulskirche.

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Sie befindet sich in einem restaurierungsbedürftigen Zustand; damit stellt sich die Frage nach der Zeitschicht, die der Bau zum Ausdruck bringen soll. Der kühl-karge Festsaal von heute ist das Ergebnis des Wiederaufbaus des bis auf die Außenmauern kriegszerstörten Bauwerks im Jahr 1948. Den leitete der Architekt Rudolf Schwarz.

Das einstige Aussehen des als protestantische Kirche erst 1833 eingeweihten Bauwerks zu rekonstruieren, lag nicht in seiner Absicht. Damit unterblieb jeglicher Hinweis auf das Paulskirchenparlament mit seinen von Zuschauern besetzten Emporen; Schwarz geißelte sie als „kleinlich“ und schwärmte lieber von der Größe des von ihm entkernten Raumes.

Konzept für die Stiftung wird erarbeitet

Freilich um den Preis der Erinnerung an die Anfänge der Demokratie in Deutschland. Diese ins Bewusstsein zu heben, soll Aufgabe der geplanten Bundesstiftung sein. Die Bestimmung Frankfurts als Sitzort könnte der Überlegung folgen, das seit längerem im Frankfurter Stadtrat diskutierte Haus der Demokratie zu nutzen, das in unmittelbarer Nähe zur Paulskirche entstehen könnte. Ein „detailliertes Rahmenkonzept, das die inhaltliche Arbeit der Stiftung einbettet und kontextualisiert“, werde derzeit erarbeitet, heißt es aus dem Hause Grütters.

Steinmeier sprach in Friedrichshain von der „Freilegung dieser Wurzeln“ und bezog es metaphorisch auf die Demokratie. Im vergangenen Herbst hat er in seinem Amtssitz einen Robert-Blum-Saal mit Darstellungen zur frühen Demokratie eingeweiht, zum Gedächtnis des 1848 in Wien – dort war es zum „Oktoberaufstand“ gekommen – standrechtlich erschossenen Paulskirchen-Abgeordneten Robert Blum. Dessen Todesdatum wurde im 20. Jahrhundert zu einem anderen, gleich mehrfach überlagerten Gedenktag der deutschen Geschichte: der 9. November.

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