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Ein Serien-Hit bei Netflix: "Squid Game"

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Der Serien-Boom und die große Zeit-Frage: Wer soll das denn alles gucken?

Noch nie wurden so viele US-Serien produziert wie 2021. Wir fordern mal ein Innehalten. Ein Kommentar.

„Squid Game“, „Mare of Easttown“, „Kitz“, „Sløborn“, „Das Rad der Zeit“, "Dr. Brain", „Scenes from a Marriage“ – Serien über Serien, jeden Tag, jede Woche, jeden Monat. „Was, du hast die nicht gesehen?“, heißt es, oder besser, hieß es ja meistens, wenn man sich in der Teeküche oder Büro-Kantine traf. Mittlerweile fliegen einem all die tollen, neuen Serien-Titel via Zoom-Call zu. Was die Verlegenheit bei der Antwort nicht besser macht: „,Das Rad der Zeit’?“ – „Ne, kenn ich nicht!“

Da kommt diese Statistik gerade richtig: Die Zahl der neuen und fortgesetzten US-Serien hat 2021 einen Höchststand erreicht. Das geht aus der jährlichen Zählung der Produktionen in Streaming-, Kabel- und Rundfunkanstalten der Vereinigten Staaten hervor, die Fernsehforscher des Disney-Studios vorgenommen haben.

Demnach stieg die Zahl der Serien im vorigen Jahr auf 559. Das ist ein Sprung von 13 Prozent gegenüber dem ersten Corona-Jahr 2020 (als es mit 493 Serien einen kleinen Einbruch gegeben hatte). Gegenüber dem bisherigen Rekordjahr 2019 (mit 532 Serien) war es ein Anstieg von fünf Prozent.

Die Gesamtzahl der fiktiven Serien nach Drehbuch hat sich in den vergangenen zehn Jahren in den USA mehr als verdoppelt. Die Statistik umfasst nur amerikanische Produktionen und englischsprachige Serien, keine internationalen oder aus US-Sicht ausländischen Produktionen wie etwa den Netflix-Hit „Squid Game“ aus Südkorea. Zahlen zum Serienboom in Deutschland für 2021 sind derzeit nicht zu bekommen. Der Trend dürfte hier ähnlich ausfallen. Immer mehr Serien, immer mehr neue Staffeln, die alle gesehen werden wollen, damit wir mitreden können.

Macht 18 000 Minuten, gleich 300 Stunden Seriengucken jährlich, mindestens

Mal abgesehen von der Frage, ob nun wirklich jede Idee aus dem Kopf eines Autoren, einer Autorin den Weg ins Fernsehen oder zu Netflix finden sollte – mit Ignoranz ist dem Boom schwer zu begegnen. Könnte ja ein Geheimtipp unter den Serien sein.

Zum erfolgreichen Zeitmanagement gehört es ja, seine Aufgaben effektiv zu strukturieren. Rechnen wir mal nach.Ein Serienfan in Deutschland hat bestenfalls sechs Streamingdienste (Sky, Amazon Prime, Netflix, Joyn, Apple TV+, RTL+, Joyn), dazu drei öffentlich-rechtliche Mediatheken. Vorausgesetzt, alleine 50 dieser 560 neuen US-Serien sind sehenswert, Sachen wie „Scenes from a Marriage“ oder auch „Das Rad der Zeit“, der „Game-of-Thrones“-Nachfolger. Eine achtteilige Serie dauert rund 360 Minuten.

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Macht 18 000 Minuten, gleich 300 Stunden Seriengucken jährlich, mindestens. Den Urlaub an WLAN-losen Orten abgezogen ergibt das gut eine Stunde Serienkonsum jeden Abend. Und da wurden noch keine Bücher gelesen, Talkshows oder Fußballspiele geguckt, geschweige denn, wurde ins Kino, Konzert oder Theater gegangen, wenn es das denn nach der Pandemie wieder reichlich geben sollte.

Sollte sich das mit dem Serienboom so weiter entwickeln, wäre es an der Zeit, über ein Innehalten, eine Art Moratorium nachzudenken. Eine Deckelung: Nicht mehr als 200 neue Serien im Jahr. Dann klappt’s auch wieder in der Teeküche.

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