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Anrührend höflich. Jan Lisiecki.

©  Universal

Der Pianist Jan Lisiecki in Berlin: Exerzitien

Der Pianist Jan Lisiecki zeigt im Kammermusiksaal, was es heißt, sich ausschließlich auf eine Sache zu konzentrieren.

Was für ein Defilee! Binnen zehn Tagen gastieren die drei aufregendsten jungen Pianisten der Welt in Berlin: Vergangene Woche der genialisch musikalische Daniil Trifonov sowie Igor Levit, der Intellektuelle. Und am Freitag nun der allerjüngste unter den aufstrebenden Tastenstars: Jan Lisiecki, der Ernsthafte.

So wie den 19-Jährigen erträumen sich wohl alle Eltern ihren Nachwuchs. Unglaublich nett wirkt der Kanadier mit dem blonden Lockenkopf, wenn er im Kammermusiksaal den Applaus entgegennimmt, absolut natürlich in seiner Selbstsicherheit und doch zugleich auch anrührend höflich. Vor allem aber kultiviert dieser junge Mann eine Fähigkeit, die immer mehr Menschen abgeht: Er ist bereit, sich wirklich zu fokussieren, sich ausschließlich auf eine einzige Sache zu konzentrieren. Und zwar abendfüllend.

Das reine Chopin-Programm, das Jan Lisiecki nach Berlin mitgebracht hat, ist also weder als Ringelreihen von Wunschkonzert-Hits angelegt noch als Tastentigershow zum eigenen Ruhme. Nur zwei der hoch virtuosen Salon-Piècen Chopins serviert er dem Publikum, so zu sagen als Amuse gueule und als Digestif: die „Grande Valse Brillante“ und die ebenso große, noch brillantere Polonaise in Es-Dur. Dazwischen aber gibt sich Lisiecki den Exerzitien der 24 Préludes Opus 28 hin. Keine Äußerlichkeiten gestattet er sich hier, da ist keinerlei Raum für prätentiöse Überakzentuierungen, da wird nichts in die Stücke hineingeheimnist. Da ist lediglich ein junger Mann zu erleben, der sich sehr intensiv mit dem Notentext beschäftigt hat. Und der jetzt, da er sich die harmonischen Fortschreitungen, die Baupläne der Stücke bewusst gemacht hat, eine ideale Balance von Struktur und Sanglichkeit entwickeln kann. Vor allem die Art, wie er die Schlusstakte gestaltet, als Frage- oder Ausrufezeichen, sanft verklingend oder husch gen Himmel, macht dabei deutlich, wie sicher der Interpret sich seiner Sache ist.

Erhellend geraten ihm die drei Nocturnes aus Opus 9: Weil er sich gerade bei den bekannten Melodien alles Sentimentale verbietet, liegt hier die Großstadtnacht im elektrischen Laternenschein. Diese Abneigung gegen das Plakativ- Theatralische wiederum gibt den Walzern aus Opus 64 etwas sehr Privates. Ein zartes Tete-à-tete am Rande der rauschenden Ballnacht, zwei Hände, zwei Herzen im Dreivierteltakt.

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