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Die Filme der Roger-Moore-Ära zeigten ein viel positiveres Bild der Figur als Flemings Romane.

© AFP

Der neue 007-Roman "Ewig und ein Tag": Wie schreibt man Bond nach #MeToo und Brexit?

Anthony Horowitz erzählt in seinem zweiten 007-Roman „Ewig und ein Tag“, wie James Bond zu James Bond wurde.

Sein Auftrag ist schwieriger geworden. Nicht nur der des jungen James Bond. Der soll sich, gerade frisch zu 007 befördert, weil der ehemalige Träger der Nummer tot in der französischen Riviera treibt, nun nicht mehr als williger Vollstrecker, sondern auch als Ermittler beweisen.

Schwieriger gestaltete sich aber vor allem die Mission des Schriftstellers Anthony Horowitz, als er sich mit seinem jüngst auf Deutsch erschienenen Roman „Ewig und ein Tag“ (Cross Cult, 336 Seiten, 16,99 €) ein zweites Mal darangemacht hat, Ian Flemings 007-Mythos fortzuschreiben. 2015 gab Horowitz mit „Trigger Mortis“ seinen Einstand, seitdem ist einiges passiert in der Welt, also der echten. Stichwort: Brexit. Stichwort: #MeToo.

Was tun mit Bond nach #Metoo und dem Brexit?

Was also tun mit James Bond, diesem nicht selten zynischen, (selbst)zerstörerischen, berechnenden Raubtier, jenem „abgestumpften Werkzeug“ oder auch „Monster“, wie Ian Fleming selbst seine Schöpfung mitunter bezeichnete? Einsargen, wie manche Kritiker des im April erwarteten Films „No Time to Die“ fordern, weil sie nicht verstehen, was ein Antiheld ist? Anthony Horowitz, seit Kindertagen bekennender Fan der Fleming-Reihe, denkt nicht daran. Alles ignorieren? Eine Weile sieht es in seiner Bond-Genesis so aus.

Horowitz hat Flemings bitteren Ton gut studiert

Nach seiner Beförderung bezieht Bond erst mal ein neues Büro und taxiert die Kurven der Sekretärinnen, die ihm den Kaffee kochen. Wir schreiben das Jahr 1950. Alsdann jettet er in den Süden, trinkt, zockt im Casino, bedrängt verdächtige Frauen, verprügelt, wird verprügelt, stolpert von einer Falle in die nächste … Horowitz hat Ian Flemings bitteren Ton gut studiert, der sich in der deutschen Übersetzung manchmal banaler liest, als er eigentlich ist.

Dass die Dinge anders laufen, ahnt man nach dem ersten Drittel, als Bond von seinem Gegenspieler zusammengeschlagen und zurechtgestutzt wird: „Sie bemerken einfach nicht, dass Sie immer unwichtiger werden, und ohne Ihre geografische Lage und Ihre Freundschaft ... Ihre Verbindung mit Europa wären Sie bereits vollkommen in der Versenkung verschwunden.“ Bond widerspricht nicht.

"Das wäre dem anderen nie passiert"

Der große Knall erfolgt wenig später, als 007 die unvermeidliche Femme fatale in der Geschichte packt und ungefragt küsst. Statt dahinzuschmelzen, schleudert die ihm eiskalt ein „Du wirst mich ohne meine Erlaubnis nie wieder berühren“ entgegen, um später, da hat er ihren Segen, hinterherzuschieben, er habe als Liebhaber noch so einiges zu lernen.

Schmunzelnd erinnert man sich an die Worte von George Lazenby in seinem ersten Film-Einsatz als James Bond nach Sean Connery: „Das wäre dem anderen nie passiert ...“

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Der Rest von „Ewig und ein Tag“ ist Verfolgungsjagd, Größenwahn, Explosion und reichlich Dienst am Fan. Anthony Horowitz erzählt, wie James Bond an seinen Morland-Tabak kam, an das berühmte Zigaretten-Etui, was es mit den geschüttelten Martinis auf sich hat.

Das Finale kommt dann relativ vorhersehbar daher, aber auch da steht Horowitz treu in der Tradition Flemings. Dieser brillierte stets in der Exploration (wer das nicht glauben mag, lese mal die ersten Kapitel von „Feuerball“, in denen er den Alltag und die Klientel einer Wellness-Klinik aufs Humorvollste auseinandernimmt), um dann am Ende die Dinge oft recht hurtig zusammenzuschnüren. Horowitz übersieht im Finale sogar eine Überwachungskamera ...

Horowitz ist ein bekennender Fan der Figur seit Kindertagen.
Horowitz ist ein bekennender Fan der Figur seit Kindertagen.

© promo

Sicher, der englische Vielschreiber hat in seiner Karriere originellere Bücher abgeliefert. Trotzdem sei dieser Bond-Roman jedem zur Lektüre geraten, der im April ins Kino gehen will. Weil Horowitz das verzerrte, weil viel zu positive Bild zurechtrückt, das besonders die Filme der Roger-Moore- und Pierce-Brosnan-Ära von der Figur gezeichnet haben.

Man wird Bond nach der Lektüre nicht unbedingt mögen. Aber vielleicht wird man ihn nach dem lang nachhallenden letzten Satz des Romans besser verstehen, dieses makelhafte Wesen, dieses verwundete Raubtier. Vielleicht tut er einem sogar ein bisschen leid.

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