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Guy (Gael García Bernal) und Prisca (Vicky Krieps) erfahren das tödliche Geheimnis des Strandes am eigenen Leib.

© Universal

Der Mysteryfilm „Old“ im Kino: Wenn das Urlaubsparadies zum Albtraum wird

M. Night Shyamalan hat mit „Old“ einen Pandemie-Horrorfilm gedreht. An einem Karibik-Strand altern Menschen innerhalb weniger Stunden um 50 Jahre.

Von Andreas Busche

M. Night Shyamalans „Old“ könnte auch gut als gespielter Shyamalan-Witz durchgehen. Um Jahre gealtert hat man sich schon nach so manchem Film des amerikanischen Regisseurs gefühlt, der Volte auf Volte, Mystery auf Mystery packt: überaus verlässlich auf Kosten der Erzähllogik, aber auch der Toleranz des Publikums.

Seine Ausflüge in die Science Fiction („After Earth“) und die Fantasy („The Last Airbender“) kann man als gescheiterte Versuche gelten lassen, sich als Blockbuster-Regisseur zu etablieren. Seitdem spezialisiert er sich wieder auf kleine High-Concept-Genrefilme, zuletzt den Anti-Superheldenfilm „Glass“.

Man kann sich bei Shyamalan ja nie ganz sicher sein, wie ernst es ihm mit seinen Filmen ist – oder ob er einfach nur Spaß am Mindfuck-Prinzip hat, das er seit seinem Debüt „The Sixth Sense“ variantenreich elaboriert. „Old“, inspiriert von der Graphic Novel „Sandburg“, hätte auch für eine gelungene „Twilight Zone“-Episode gereicht, auf knapp zwei Stunden Länge fühlt man allerdings sukzessive mit den Figuren, die an einem einsamen, von Felsen umschlossenen Strand innerhalb eines Tages um über 50 Jahre altern.

Dass Shyamalan die Selbstironie nicht völlig fremd ist, lässt eine Meta-Ebene erahnen, um die er die Vorlage erweitert hat: Der Regisseur selbst, der sich in jedem seiner Filme einen Cameo-Auftritt gibt, steht in großer Entfernung auf den Klippen der Bucht und filmt die panischen Versuche der Reisegesellschaft, dem zeitfressenden Ort zu entkommen, bevor ihnen der biologische Kreislauf ein natürliches Ende bereitet.

Corona-Dreh in der Karibik

„Old“ ist gewissermaßen eine umgekehrte Lockdown-Parabel; Shyamalan hat tatsächlich unter verschärften Corona-Bedingungen in der Karibik gedreht. Während die Menschen in der Pandemie in ihren Wohnungen saßen und der Farbe an den Wänden beim Trocknen zuschauen konnten, müssen Guy (Gael García Bernal) und Prisca (Vicky Krieps) hilflos mitansehen, wie ihre Kinder Maddox (Alexa Swinton, später Thomasin McKenzie) und Trent (Nolan River/Alex Wolff) im Laufe eines Nachmittags von pubertierenden Teenagern zu jungen Erwachsenen werden.

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Für das Ehepaar sollte der gemeinsame Urlaub eine Art Abschiedsreise sein: Ihre Trennung haben sie längst beschlossen, eigentlich wollten sie in dem Luxus-Ressort ihre elf- und sechsjährigen Kinder über den Entschluss informieren. Der Meta-Filmemacher Shyamalan war schon immer ein durchtriebener Manipulator: Reif für die Insel sind wir ja alle gerade, aber dieses Paradies entpuppt sich bald als Albtraum.

Begrüßt wird die Reisegruppe von einer Frauenleiche und dem verstörten Afroamerikaner Sedan (Aaron Pierre), dessen blutige Nase das Misstrauen der Anderen weckt. Besonders der Chirurg Charles (Rufus Sewell) hat den Mann im Visier: Je weiter der Nachmittag voranschreitet, desto offener treten die Ressentiments und Neurosen der Gestrandeten zutage.

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Charles' deutlich jüngere Instagram-Modelfrau Chrystal (Abbey Lee), eine äußerst undankbare Rolle, bemerkt erste Falten, ihre Tochter Kara (Eliza Scanlen) findet bald Gefallen an dem zum Teenie-Schwarm gereiften Trent. Die unvermeidliche Schwangerschaft ist eine Sache von zehn Minuten – Jugendliche im Lockdown halt.

Die Stilmittel der Verunsicherung

Man kann Bernal und Krieps nur still bewundern, mit welchem heiligen Ernst sie Shyamalans Drehbuchsätze aufsagen, ohne eine Miene zu verziehen: "Der Hund ist tot!" – "Der hat doch eben noch gelebt." Die Handlung kippt zunehmend ins Absurde, der Regisseur hat seinen Spaß mit der Vorlage.

Eine improvisierte Operation vor Palmenkulisse an Priscas rasant wachsendem Tumor wird erschwert, weil der Schnitt schneller verheilt, als die kokosnussgroße Zellwucherung durch die offene Wunde passt. Auch der Gesundheitszustand des Arztes bereitet der Gruppe Sorgen: Ihn beschäftigt, während es um Leben und Tod geht, wie zum Teufel der Film mit Jack Nicholson und Marlon Brando heißt. (Die Lösung lautet natürlich "Duell am Missouri".)

Bei allem Quatsch ist dann aber immer wieder verblüffend, wie virtuos Shyamalan die Stilmittel der Verunsicherung beherrscht. Die Kamera von Horror-Spezialist Mike Gioulakis ("Wir") bewegt sich wie eine unsichtbare Entität zwischen den Figuren, als habe sie mit dem Geschehen am Strand überhaupt nichts zu tun. Sie ist damit auch eine treffende Metapher für das Kino von Shyamalan, das auf Autopilot schaltet, sobald genug Mysterien eingeführt sind. Irgendwo steckt in allen seinen Filmen ein besserer Film, der einfach raus will.

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