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Bukow (Charly Hübner) und König (Anneke Kim Sarnau) im „Polizeiruf 110“ aus Rostock.

© Christine Schroeder

Der Lockdown wird zum Marathon: Erst „Tatort“, dann „Polizeiruf 110“, und von vorne

Unser Autor döst abends vor dem Fernseher ein und fragt sich: Wie viele Krimis muss man eigentlich sehen, bis der Impftermin kommt? Eine Glosse.

Gestern Abend schon wieder den Fernseher eingeschaltet und nicht losgekommen. Erst der Münchner „Tatort“ von 2001 mit Hilmar Thate als mörderischer Märchenerzähler, großartig in seiner ruhigen, bestimmten Art, der Logik des Wahnsinns zu gehorchen. Dann „Polizeiruf 110“, Baujahr 1977, mit Rolf Ludwig, der einen Heiratsschwindler spielt. Ludwig war ein Star in der DDR, Entertainer, Charakterdarsteller, öffentlicher Säufer wie Harald Juhnke im anderen Berlin.

Die Hälfte der Sendung nicht mitbekommen, schon wieder ist das Murmeltier vor dem Fernseher weggedämmert. Im traumschweren Halbschlaf von Fragen verfolgt. Warum immer Krimi? Haben die Sender auf Autopilot gestellt, kein Mensch mehr in der Redaktion? Wird jetzt pandemisch noch mehr wiederholt? War die DDR ein Land im jahrzehntelangen Lockdown, keiner darf raus, nur wenige dürfen rein, der Mauer-Sozialismus als riesige Quarantänestation?

Wieder aufgewacht – der betrügerische Herzensbrecher mit Honecker-Brille fährt bei Bitterfeld eine Polizeisperre über den Haufen, ein Beamter sagt: Der kommt nicht weit. Ein Satz von großer politischer Dimension! Eine der Frauen, die der komische Casanova ausnehmen will, träumt von ihrer „Mittelasienreise“. Da konnte man eventuell hin als DDR-Mensch, in die exotischen Sowjetrepubliken.

Wieviele Tatorte und Totarten denn noch? Schlimmer Verdacht: Ohne Fernsehbetäubung keine Impfung. Erst sämtliche Polizeirufe usw. wiedersehen, bis der Brief vom Amt kommt. Einladung zur Spritze, aber nur mit TV-Nachweis.

Gefangen im Marathon wie der Mann im „Tatort“-Vorspann, der seit fünfzig Jahren davonrennt. Lockdown mit Fernbedienung. Alles muss noch mal in die Verlängerung. „Ich bin ein Quartalssäufer“, hat Rolf Ludwig gesagt, mit seinem gefährlich guten Humor: „Meine Quartale zählen ein paar Tage, ein paar Wochen, aber auch sechs, acht Monate und einmal sogar drei, vier Jahre ...“

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