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Familienkrach mit Drama-Queen. In der Rolle der Elena spielt Ilse Ritter die narzisstische Mutter des apollinisch-verklemmten Autors. Foto: Joachim Fieguth

© Joachim Fieguth

Kultur: Der Intendant tanzt

Ach, du liebes Theater: Olivier Pys „Sonne“ an der Volksbühne uraufgeführt

In Frankreich verbindet man mit dem Namen Olivier Py einen kleinen, aber immerhin richtigen Theaterpolit-Skandal, der bis ins Elysée hinein zu Strippenziehereien geführt hat. Py ist Dramatiker, Regisseur und Intendant des Pariser Théâtre de l’Odeon, der 2012 von Luc Bondy abgelöst wird. Angeblich fehlte Kulturstaatsminister Frederic Mitterand in Pys Programm der Europabezug. Dessen Absetzung führte zu heftiger Empörung im französischen Kulturbetrieb, von Isabel Huppert bis Patrice Chéreau gingen alle auf die Barrikaden – selbst im Amtssitz des Staatspräsidenten zeigte man sich irritiert und krönte Py kurzerhand zum Leiter des Theater-Festivals in Avignon.

In Deutschland ist Olivier Py dagegen kaum bekannt. Daran wird voraussichtlich auch die Uraufführung seines Stücks „Die Sonne“ nicht viel ändern, die er in eigener Regie an der Volksbühne realisiert hat. Hat Py „Die Sonne“ etwa als Reflex auf dieses Skandälchen verfasst, als komödiantische Selbstverortung aus der Verwirrung des Intrigen-Katers heraus? Es sieht zumindest so aus, als wollte Py den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. „Die Sonne“ handelt drei ziemlich lange, bieder verkalauerte Stunden vom mäßig interessanten Leben einer Theatercombo und stellt dabei in immer neuen Anläufen die immer gleiche Grundsatzfrage: Soll Theater einen Zweck erfüllen (Aufklärung! Kritik der Zustände!) oder ist es zweckfreier Erscheinungsort ominöser Urkräfte? Anders gefragt: Ist das Theater dem Sozialen oder dem Absoluten verpflichtet?

Es treten also auf: Axel (Sebastian König) als Vertreter des Unbedingten, der dem sich moralisch gebenden Intendanten (Uwe Preuss) im Absolutheitsrausch das Ohr abbeißt, als der das Wort „Demokratie“ in den Mund nimmt. Des Weiteren der ziemlich verklemmte Autor Josef (Lucas Prisor), seine hochgradig narzisstische Mutter (überkandidelt herzlos: Ilse Ritter) und ein paar unterwürfige Schmierenschauspieler. Sie alle verfallen Axels ekstatischer Heiligkeit – sogar der Intendant fängt an, in Frauenkleidern zu tanzen –, die sich im zweiten Teil als manische Phase einer bipolaren Störung erweist. Während Axel in die Klinik wandert, fallen die ehemaligen Jünger von ihm ab, machen flugs ein Stück aus seinem persönlichen Drama und feiern Welterfolg. Merke: Ganz schön verlogen und parasitär, so eine Theaterfamilie.

Das Problem dieses Unterfangens – abgesehen davon, dass selbstreferenzielle Soße immer selbstreferenzielle Soße bleibt – ist Pys Unentschlossenheit. Er macht sich ein bisschen über die Falschheit des Theaterbetriebs lustig, bleibt dabei aber auf ärgerliche Weise harmlos und gefällig. Er kann die Chose auch gar nicht bis zu dem denunziatorischen Punkt treiben, ab dem die Sache möglicherweise interessant würde. Denn er meint die verschwurbelten Dispute um den Sinn des Theaters tatsächlich ernst und setzt die Nackttänze seines Hauptdarstellers geradezu entzückt in Szene. Py ist für’s Absolute. Für’s absolut Süßliche.

Wieder heute, 4. November, sowie am 10. und 23. 11..

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