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Nachdenken über das Kino: Hartmut Bitomsky verbindet in seinen Texten und Filmen Sinnlichkeit und Analyse.

© Carlos Bustamante

Der Filmemacher Hartmut Bitomsky: Im Maschinenraum der Bilder

Kritische Materialkunde: Das Zeughauskino zeigt Arbeiten des Dokumentarfilmers und Essayisten Hartmut Bitomsky.

Von Andreas Busche

Die Bedeutung von Hartmut Bitomsky für den deutschen Film ist gar nicht mal so leicht zu erklären. Bitomsky hat Lehr-, Dokumentar- und Spielfilme gedreht, er gehörte knapp zehn Jahre zur Redaktion des einflussreichen Journals „Filmkritik“ und war sowohl Dekan am California Institute of the Arts als auch, von 2006 bis 2009, Direktor der Filmhochschule dffb – wo er bereits 1966 im ersten Jahrgang mit Wolfgang Petersen, Helke Sander, Harun Farocki und Holger Meins studiert hatte.

Produktion und Kritik gingen in Bitomskys Arbeitsweise also immer schon Hand in Hand, er war ein genauso scharfsinniger Schreiber wie Bildgestalter; Voraussetzung für ein Kino, das die Form so ernst nimmt wie die Haltung.

Bitomskys Stellung zwischen allen Stühlen ist wahrscheinlich ein Grund dafür, dass er heute in den Listen der einflussreichsten deutschen Filmemacher gerne übersehen wird. Das hatte er lange mit seinem Freund Farocki gemein, bis der noch einmal vom Kunstbetrieb entdeckt wurde.

Um diesem vielschichtigen Werk gerecht zu werden, schlägt der Kurator und Filmwissenschaftler Frederik Lang den Begriff des „Kritikers“ als allumfassende Instanz vor. Er bezieht sich damit auf Walter Benjamin, Claude Lévi-Strauss und Maurice Blanchot, die Kulturkritik als eigenständigen Schaffensprozess verstanden. Bitomsky hatte spätestens 1983 mit dem Filmessay „Deutschlandbilder“ seine Berufung als medienarchäologischer Bildkritiker gefunden.

Filmen und das Denken über Film ist bei Bitomsky eins

Langs Publikation „Hartmut Bitomsky. Die Arbeit eines Kritikers mit Worten und Bildern“ (Synema Verlag, Wien 2020, 302 Seiten, 28 Euro) ist nun Anlass für eine repräsentative, jedoch alles andere als vollständige Werkschau im Zeughauskino. Das ist schon deswegen eine gute Nachricht, weil die frühen Arbeiten Bitomskys heute kaum noch zugänglich sind.

Viele lagern verschlossen in Fernseharchiven, aktuell ist lediglich sein letzter Dokumentarfilm „Staub“, der 2007 in Venedig lief (fast dreißig Jahre nach seinem Lido-Debüt mit „Highway 40 West“), auf DVD erhältlich.

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Wie für die schlauen Köpfe der Nouvelle Vague war das Filmen und das Denken über Film in Bitomskys Arbeiten unauflöslich miteinander verzahnt. Er gehörte zum hochpolitisierten Kern des ersten dffb-Jahrgangs, drehte marxistischen Agitprop wie „Die Teilung aller Tage“, aber auch Beiträge für die „Sesamstraße“ – über Produktionsabläufe in Fabriken, ein Thema, zu dem er knapp zwanzig Jahre später mit „Der VW-Komplex“ (1989) zurückkehren würde.

Sinnlichkeit und Analyse

Doch Bitomsky erkannte auch früh die Limitierung einer (linken) Ideologiekritik am Kino, die dessen Formensprache gänzlich ignoriert. Wie unerlässlich ein ästhetisches Verständnis für das Kino ist, demonstriert er mit „Deutschlandbilder“, einer Analyse von NS–Propagandafilmen, die die Nazi-Ideologie über die Bilderproduktion entlarvt.

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Für weite Teile der deutschen Öffentlichkeit waren diese Filmchen aus dem „Dritten Reich“ damals neu. Sein Buch „Die Röte des Rots von Technicolor: Kinorealität und Produktionswirklichkeit“ war 1972 der Versuch, die Materialität des Kinos und seine Entstehungsbedingungen zusammenzudenken.

Das Schöne an den Texten und Filmen von Bitomsky ist, wie sie Sinnlichkeit und Analyse verbinden; er berichtet sozusagen aus dem Maschinenraum der Bilder. Der Endzweck von Kritik besteht für ihn nie in einem Geschmacksurteil, er versteht den Diskurs als Einladung, eigene Schlüsse zu ziehen.

Spurensuche in der Deutschland-Trilogie

Im Zeughauskino ist neben der „Deutschland-Trilogie“ – das Mittelstück „Reichsautobahn“ (1986) zerlegt den Propaganda-Mythos von Hitlers Arbeitsbeschaffungsprogramm, das tatsächlich erst nach dem Krieg vollendet werden sollte – auch die WDR-Produktion „Das Kino und der Tod“ zu sehen. Bitomsky versucht sich hier an einer Typologie des Sterbens anhand von Filmstills.

Er entwickelt über das Nacherzählen von Szenen aus Don Siegels „The Killers“ (mit Ronald Reagan) oder Hitchcocks „Der zerrissene Vorhang“ eine Theorie des Todes, die auch das Wesen des Kinos beschreibt. „Es ist das Töten, das das Kino beschäftigt, und weniger der Tod. Das Kino beschäftigt sich mit Tätigkeiten, nicht mit Zuständen.“

Dass Bitomsky nicht mehr Spielfilme drehen durfte, ist ein Verlust für das deutsche Kino. Christian Petzold, der Anfang der Neunziger als sein Regie-Assistent gelernt hat, ist ein direkter Vertreter der Bitomsky-Schule: die Verbindung von Bildkritik, Arbeit am Mythos und Erzählkino. Bitomskys einziger Kinofilm „Auf Biegen oder Brechen“ (1975), westdeutscher Klassenkampf mit Western-Ikonografie, ist der Höhepunkt im Zeughaus-Programm. In zwei Jahren feiert Hartmut Bitomsky seinen 80. Geburtstag. Eine umfassende Werkschau ist dann überfällig.
Vom 14.8. bis 12.9. im Zeughauskino

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