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Allan Karlsson steigt aus dem Fenster.

© dpa

Der Film nach Jonas Jonassons Bestseller: Leben in der Nachspielzeit

Die skurrile Odyssee "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ läuft jetzt im Kino und zeigt, wohin man kommt, wenn man nirgends hin will.

Am Anfang scheint Allan Karlsson ein alter Mann fast wie jeder andere zu sein. Einer, der niemanden so liebt wie seinen Kater, schon weil sonst keiner da ist. Er lässt das Tier aus dem Fenster seines ochsenblutroten Holzhauses und ermahnt es, rechtzeitig wiederzukommen. Aber der Kater kommt nicht. Also geht der Alte hinaus in den Schnee und entdeckt die ganze Wahrheit: Der Fuchs hat den Kater geholt.

Bis dahin ist nichts Auffälliges an dem Alten und seiner ohnmächtigen Trauer. Aber dann schwört er dem Fuchs, dass dies seine letzte Mahlzeit gewesen sei und bindet in größter Ruhe mehrere Würste um ein paar Sprengsätze. Und hieß der tote Kater nicht Molotow? Damals muss Allan Karlsson noch 99 gewesen sein. Ein 99-Jähriger, der Füchse sprengt – gehört der nicht ins Heim?

Der alte Schwede Allan Karlsson, der in der Nachspielzeit des Lebens, genau an seinem hundertsten Geburtstag vor seiner eigenen Seniorenheim-Geburtstagsfeier emigriert, ist längst kein Unbekannter mehr. Amazon registriert allein 2413 Kunden-Kritiken zu Jonas Jonassons Buch. Der Kommentar zur ersten lautet: „833 von 874 Kunden fanden die folgende Rezension hilfreich.“ Dabei war Jonasson vor ein paar Jahren kaum bekannt. Er schrieb für die „Expressen“ und die „Smalandsposten“, gründete eine Medienconsultingfirma. Dann verkaufte er alles und ging ins Tessin, um dort den Roman zu beginnen, den er schon immer schreiben wollte, seinen ersten.

"Der Hundertjährige, der ..." - in Deutschland zwei Millionen mal verkauft

Zwei Dinge sind sicher: Niemand hat „Forrest Gump“ mit so viel Gewinn gesehen wie Jonasson. Ein reiner Tor findet sich unvermutet neben den Großen dieser Erde wieder. Und da ist „Der Engländer, der auf einen Hügel stieg und von einem Berg herunterkam“ mit Hugh Grant. Ganz folgenlos ist also auch dieses Stück Kino nicht geblieben, zumindest nicht der Titel. Unmöglich, einem Bestsellerautor Kolportage vorzuwerfen – wer allein in Deutschland über zwei Millionen verkauft, ist gleichsam vom Markt heiliggesprochen. Und seltsamerweise fanden sich unter den Kritiken gleich Urteile wie: „Ganz großes Kino!“

Die Regisseure Felix Herngren und Hans Ingemansson haben das sehr ernst genommen. Ihr Film bleibt dicht an der Vorlage. Kein Mensch wird dem Roman subtilen Humor vorwerfen; auch das bleibt so wie im Buch auf durchaus unterhaltsame Weise. Nur muss der Film den Hundertjährigen auch zeigen.

Die letzte Odyssee des Allan Karlsson

Robert Gustafsson, einer der beliebtesten Komiker Schwedens, ist Allan Karlsson. Erst 48 Jahre zählt er, aber das irritiert keineswegs. Ob das am überwachen wie alterslosen Blick der sehr Alten liegt? Andererseits war Allan Karlsson schon immer etwas langsam im Kopf, eine Eigenart, die sich im Alter eher nicht verliert. An seinem 100. Geburtstag steht er am Bahnhof von Malmköping, erfährt, dass er für seine 48 Kronen nur bis Byringe kommt, wo nichts los ist und passt auf den Koffer eines Jungrockers auf. Weil aber der Bus abfahrbereit ist, nimmt Karlsson den Koffer einfach mit.

Die letzte Odyssee des Allan Karlsson beginnt, unterbrochen stets von Rückblenden auf sein Leben. Sie zeigen, wohin man kommen kann, wenn man nirgends hin will in diesem absurden Jahrhundert. Allan Karlsson trifft Franco und Stalin, er hilft Oppenheimer beim Bau der Atombombe, schließlich hat er eine frühe soziale Prägung in einer Sprengstofffabrik erfahren. Wie kann ein fiktiver Hundertjähriger sich so in den Seelen der Menge niederlassen, dass man ihn überall schon mit Namen kennt? Nur potentielle Erlöser schaffen das. Stress, was ist das? Allan Karlsson hat viel erlebt, aber dieser spätzivilisatorischen Grundplage ist er nie begegnet.

In 16 Berliner Kinos; OmU in den Hackeschen Höfen; englisch untertitelte Originalfassung: Cinestar SonyCenter, Neues Off

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