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Herbert Blomstedt

© Matthias Creutziger

Der Dirigent Herbert Blomstedt: Mild und weise

Ein bewegender Abend in der Berliner Philharmonie mit Herbert Blomstedt und der Sächsischen Staatskapelle Dresden.

Wenn es sich beim Auftritt von Herbert Blomstedt in der Philharmonie nicht um so ein glücklich machendes Konzert handeln würde, müsste sich dieser Text ausgiebig mit der katastrophalen Situation davor beschäftigen. Mit zu recht entnervten Schlangenstehern und ihren Aggressionsschüben, die das Foyer emotional in Brand stecken. Ausrufe wie „Ich verlasse Berlin sowieso“ gehörten noch zu den friedlichsten Unmutsäußerungen. Auch müsste ernsthaft ergründet werden, ob das Kassenchaos nicht mit Schuld daran trägt, dass viele Plätze frei blieben. Um jeden einzelnen ist es schade. Denn Blomstedt und die ihm seit beinahe 50 Jahren vertraute Sächsische Staatskapelle Dresden spielen ein Brahms-Doppel, wie man es nur ganz selten zu hören bekommt.

Erstes Klavierkonzert und Erste Sinfonie – das liest sich wie ein schnörkellos stoffiges Programm. Unter den wogenden Händen und tanzenden Schultern des 91-jährigen Maestro singt sich Brahms dann in einer Fülle aus, von der man zehren mag, wenn es richtig kalt und grau wird. Mit Blomstedt kann man erleben, wie gestaucht diese Musik oft gespielt wird, wie sehr Druck auf ihr lastet, beginnend mit dem Gewittergrollen des Ersten Klavierkonzerts.

Ein altmeisterliches Spiel von Licht und Schatten

Bei Blomstedt aber gibt es keine Verhärtungen, die daraus resultieren, dass sich der Komponist so skrupulös mit seinen Vorbildern auseinandersetzt, auch keine Klammheit aus gestautem Leben. Puls und Weite, überraschende Zartheit und grenzenloses Vertrauen tragen seine Interpretation, die in Leif Ove Andsnes einen kongenialen Partner findet. Der norwegische Pianist entdeckt eine berührende Vielstimmigkeit, die ihn bis hin zu Orgel-Andacht und Intermezzi-Intimität führt.

Wenn man Blomstedts feurige Lesart der Ersten Symphonie altmeisterlich nennen will, dann deshalb, weil er das Spiel von Licht und Schatten mindestens so frappierend beherrscht, wie die Alten Meister in der Gemäldegalerie schräg gegenüber. Die Sächsische Staatskapelle bietet für ihren Ehrendirigenten eine Palette edelster Pigmente auf, feinkörnig, erdig, von mildem Glanz. Leider kann Daniel Barenboim, der gerade am anderen Ende der Welt Brahms dirigiert, diese Erste nicht hören, mit ihren Steigerungen, die nichts mit Lautstärke zu tun haben, sondern damit, sich noch etwas weiter zu öffnen. Für das Wunder.

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