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Katia Pascariu spielt die tapfere Lehrerin Emi, die wegen eines privaten Sexvideos einen Shistorm erlebt.

© dpa/Neue Visionen

Der Berlinale-Sieger im Kino: Heute schon geflucht?

"Bad Luck Banging or Loony Porn" heißt Radu Judes Goldbären-Gewinnerfilm. Die herrlich böse Satire auf die Corona-Gesellschaft und das Gutbürgertum läuft nun im Kino.

Dieser Film ist so irrwitzig böse, dass sich nur schwer darüber schreiben lässt, ohne selber wüste Vokabeln zu verwenden. Startet er doch mit einem Amateurporno und steigert sich munter weiter, indem er die Bigotterie des vermeintlich wohlsituierten Bürgertums bloßlegt. Nackte Tatsachen, wohin man auch blickt – Kunst kommt von Schmutz.

Der rumänische Regie-Filou Radu Jude hat nach Filmen wie „Aferim“ (Berlinale 2015) und „Mir ist es egal, wenn wir als Barbaren in die Geschichte eingehen“ (2018, bei Grandfilm on Demand) nun richtig Furore gemacht, mit „Bad Luck Banging or Loony Porn“ (zu deutsch etwa: Bumsen mit Pech oder Bekloppter Porno). Er gewann dafür den Goldenen Bären, im Juni nahm der 44-Jährige die Auszeichnung beim Berlinale-Sommerevent entgegen. Produzentin Ada Solomon bedankte sich bei der rumänischen Filmförderung, weil sie so wenig Geld gab, dass es eine internationale Koproduktion werden musste. Nun sei der Film noch europäischer geworden, rief sie im Freiluftkino vor dem ehrwürdigen Gemäuer der Museumsinsel. Und: „What doesn’t kill you, makes you stronger.“

Was uns nicht tötet, stärkt die Widerstandskräfte. Auch der derbe Genuss dieser als Triptychon angelegten Satire auf die Corona-Gesellschaft. Nachdem das private Pornovideo der Lehrerin Emi (furios: Katia Pascariu) und ihres Ehemannes viral ging, läuft sie mit Hygienemaske durch die Straßen von Bukarest und sucht unter anderem die Schulrektorin auf, um Schadensbegrenzung zu betreiben. Vergeblich. Bröckelnde Fassaden, Reklametafeln mit Vor-Corona-Verheißungen, hektischer Verkehr, die Stimmung daueraggressiv: Jeder schimpft auf jeden, ob an der Supermarktkasse oder in der Apotheke, wo Emi nach Beruhigungspillen fragt, ebenfalls vergeblich.

Ein Film ohne Sicherheitsabstand, lobte die Berlinale-Jury

Radu Jude gönnt auch den Zuschauer:innen keine ruhige Minute. Besonders gerne fängt die nervöse Handkamera Streitereien zwischen Passanten und Autofahrern ein, wenn diese mit grotesk überdimensionierten SUVs den Bürgersteig blockieren - von den sexistischen Anfeindungen gegen Emi zu schweigen. Ein Film ohne Sicherheitsabstand, hatte die Berlinale-Jury gelobt.

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Rosa unterlegte Zwischentitel, Slapstick-Musik – woher rührt die Aggression? Den Mittelteil des Films bestreitet Radu Jude mit einem comichaften „Lexikon der Anekdoten, Zeichen und Wunder“. Das rasante Alphabet all der beileibe nicht nur osteuropäischen Perversitäten, von A wie „Aborigini“ über Fellatio und Penis bis Z wie Zen, versammelt nicht zuletzt historische Verweise auf die vielen K‘s, die Rumänien und seine Nachbarn heimgesucht haben: Kommunismus, Kapitalismus, Katholizismus, Kolonialismus. Die Geschichte selber ist pornographisch, die Politik sowieso, besagt das Kompendium.

Eine schrille Sitcom mit geifernden Moralaposteln und hysterischen Eltern

Es taugt als perfekte Einstimmung auf das Finale des Berlinale-Siegers, das Tribunal der Eltern und des Lehrerkollegiums, deren Mehrzahl auf die Absetzung von Emi pocht. Eine schrille Sitcom mit geifernden Moralaposteln, sich aufgeilenden Würdenträgern, martialischen Ex-Generälen, hysterischen Müttern und der zur Bestform auflaufenden Protagonistin, die die Versammlung mit einem kleinen Sex-Poem des großen Volksdichters Mihai Eminescu brüskiert. Und die in den drei Filmschluss-Varianten, mit denen der Regisseur das Publikum in die Corona-Realität entlässt, zur Fantasy-Rachegöttin mutiert. Ein Höllenspaß.
(Aber Donnerstag in 16 Berliner Kinos, auch OmU)

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