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Oase im märkischen Wald. Das Brücke-Museum, 1967 eröffnet, ist eines der Meisterwerke des Architekten Werner Düttmann und Ort seiner Jubiläumsausstellung.

©  Schöning/Imago

Der Architekt hat der Stadt den Stempel aufgedrückt: Baumeister von West-Berlin

Das Brücke-Museum feiert seinen Architekten Werner Düttmann mit einer großartigen Ausstellung zu dessen 100. Geburtstag.

Eine Gartentür öffnet sich, ein Weg führt zum Eingang des Gebäudes, eingebettet in den Grunewald wie ein Privathaus. Es ist ein Museum, und doch kommt man gewissermaßen privat zu Karl Schmidt- Rottluff und Erich Heckel, den beiden Brücke-Malern, die mit ihren Schenkungen dieses Haus und seine Sammlung möglich gemacht haben.

„Es müsste jeder Besucher für eine Weile dort froh werden“, hat Schmidt- Rottluff 1967 nach der Eröffnung an den Architekten geschrieben. Er hatte ihn selbst ausgesucht: Werner Düttmann. Innerhalb von nur drei Jahren entstand das Brücke-Museum. Es ist aus einem Guss.

Die Schau ist mit Begeisterung eingerichtet

Jetzt beherbergt es die Jubiläumsausstellung für Düttmann, mit spürbarer Begeisterung eingerichtet von Museumsdirektorin Lisa Marei Schmidt. Fotografien, Stadtpläne, Zeichnungen, dazu Gemälde des künstlerisch ambitionierten Architekten und Stücke aus seiner Sammlung, die ohne Scheu ein Picasso-Blatt neben Krimskrams vom Flohmarkt vereinte.

Werner Düttmann wurde vor 100 Jahren geboren wurde und hat das West-Berlin der Nachkriegszeit architektonisch geprägt hat wie kein zweiter. Er hat dieses Wiederaufbau-Berlin auch stadtplanerisch geprägt, gemeinsam mit Rolf Schwedler, dem langjährigen Bausenator, unter dem Düttmann von 1960 bis 1966 Senatsbaudirektor war.

Sie haben die Großsiedlungen am Stadtrand entworfen und hochgezogen, Düttmann vor allem das Märkische Viertel. Davor, daneben und danach hat er so viel gebaut, dass man beim Gang durch die Ausstellung immer wieder staunt, was alles von seinem Zeichentisch gekommen ist.

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Einige Meisterwerke ragen heraus; sie wurden von Anfang an erkannt und gerühmt. Zeitlich vor dem Brücke-Museum liegen die Akademie der Künste, 1960 eingeweiht, und noch früher die – mittlerweile vorzüglich restaurierte – Hansa-Bibliothek am gleichnamigen U-Bahnhof.

Sie verdankt sich den Erfahrungen, die Düttmann jung im Ausland hat machen können; Lesen in Zwanglosigkeit, das Gebäude ohne Schwelle, von außen einsehbar, um einen Gartenhof gruppiert. Der Gartenhof wird ein Motiv von Düttmann, er hat ihn in der Akademie der Künste wiederholt; im Brücke-Museum ist es dann ein sehr intimer Patio.

Die Moderne lernte er in England kennen

In England, wo Düttmann dank eines Stipendiums 1950 ein Aufbaustudium absolvieren konnte, kam er mit der internationalen Moderne in Berührung. Der Einsatz von roh belassenem Beton findet sich an manchen Bauten Düttmanns, dazu die tief eingesetzten Fensterbänder mit schweren Profilen.

Im Inneren hingegen ist alles hell, wie beim Brücke-Museum, wo Tageslicht aus seitlichen Oberlichtern auf die Gemälde fällt, die der Gast aus dem Halbdunkel der Raummitte betrachtet, oder in der – leider stark veränderten – Kreuzberger Agnes-Kirche durch Lichtbänder an der Naht von Decke und Wand.

Auch die TU-Mensa an der Hardenbergstraße, von außen Trutzburg, erweist sich im Inneren als freundliches SB-Restaurant; für die lange Zeit mäßige Qualität des Essens wäre Bonvivant Düttmann am allerwenigsten haftbar zu machen gewesen.

Die Sozialwohnungsprojekte begannen in den Sechzigern

Ende der sechziger Jahre kam die Zeit der Sozialwohnungsprojekte. „Statt ehemaliger Straßenrandbebauung Großraumbebauung, in der sich die Lebensvorgänge auf bestimmten Kraftlinien bündeln und sich nicht wie in der bisherigen Stadt über Flächen ausbreiten“, schrieb Düttmann 1968 über die vom Passanten gar nicht mehr vollständig zu erfassende Riesenanlage im Märkischen Viertel.

Riesige Wohnanlagen entstanden auch an der Heerstraße oder am Kreuzberger Wassertorplatz, rücksichtslos gegen die vorhandene Bebauung, die ja weg sollte. Am Mehringplatz behielt Düttmann die runde Form als Erinnerung, doch völlig umgedreht vom repräsentativen Stadtplatz zum Innenhof einer Wohnanlage. „Mitten im verdichteten Stadtgeschehen entsteht Stille“, schrieb Düttmann dazu.

Das Ku'damm-Eck ist schon Geschichte

Dagegen stand das forciert Urbane. Bereits wieder Geschichte ist das gleißend weiße „Ku’damm-Eck“ von 1972. Dieses frühe Beispiel einer innerstädtischen shopping mall samt „300 qm Lichtrasterwerbeanlage“ hielt nur 26 Jahre, nach bejubeltem Beginn von Kunden zunehmend als eng und schummerig gemieden.

Abgesehen von diesem missglückten Konsumtempel besaß Düttmann eine enorme Sensibilität für Material, für rohes, kraftvolles Material; Sichtbeton, im Kontrast dazu Backstein – handgeformt bei der Akademie – ,Holz in all’ seinen Nuancen. Nele Hertling, die so viele Jahre in der Akademie gearbeitet hat, spricht im vorzüglichen Katalog vom „wunderbaren Eichenbohlen-Holzboden“: „Auch das hat eine menschliche Qualität“.

[Brücke-Museum und vier weitere Orte in der Stadt, bis 29. August. Informationen unter: www.bruecke-museum.de – Katalog im Verlag Wasmuth & Zohlen, 39,90 €.]

Genau das ist es: dass Düttmanns beste Bauten diesen menschlichen Maßstab besitzen und kommunikative Atmosphäre atmen. Man ist einfach gerne in der Akademie, und die Mitglieder ebenso, zumal wenn Düttmann seine legendäre „Treppenrede“ hielt.

Düttmann wurde 1961 ihr Mitglied, 1971 ihr Präsident und blieb es bis zu seinem Herztod während einer Autofahrt, nur 61-jährig, Anfang 1983.

Wie Düttmann an den Auftrag für die Akademie kam, ist eine wunderbare Geschichte: Auf dem Hamburger Flughafen traf er zufällig den gebürtigen Berliner und nun amerikanischen Unternehmer Henry H. Reichhold, der etwas für seine zerstörte Vaterstadt tun wollte. Er spendete eine Million Dollar für den Bau – unter der einzigen Bedingung, dass Düttmann ihn entwerfen solle. So geschah es.

Die Ausstellung zum 100. Geburtstag ist eine Hommage. Werner Düttmann ist einer der Großen der Berliner Baugeschichte.

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