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Tony Cragg erläutert in einer Ausstellungshalle im Skulpturenpark seine neuen Arbeiten.

© Oliver Berg/dpa

Dem Bildhauer Tony Cragg zum 70.: Kunst kommt von Unruhe

Seinen Plastiken wohnt ein Poltergeist inne: Der englische Bildhauer Tony Cragg wird 70 und feiert mit einer Ausstellung in Wuppertal.

Poltergeist, das ist für Tony Cragg das Qualitätskriterium für gute Bildhauerei. Erst wenn einer Plastik Poltergeist innewohnt, verwandelt sich ein Objekt zu Kunst. Erst dann hat Craggs unruhige Energie die Materie zu Leben erweckt. Der Künstler vergleicht den Prozess mit einem Tanz. Tatsächlich erinnern seine „Säulen“ aus den vergangenen Jahrzehnten an wirbelnde Derwische.

Für Sir Anthony Cragg bringt die Kunst den Sinn ins Leben. Dass diese Verwandlung in jedem Material möglich ist, stellt der Bildhauer mit seinem Schaffen unter Beweis, mit Arbeiten aus Holz, Glas, Keramik, Kunststoff, Marmor, Gips oder Bronze. Für Tony Cragg existiert keine Hierarchie, kein Stoff, der edler oder schäbiger wäre als der andere. Er lässt Styropor ebenso gelten wie Edelstahl. Entscheidend sind die Gesten der Belebung, „das Aufrühren, Mischen, Zerren und Schneiden“.

Seine ersten Versuche als Künstler waren noch reine Abbildungen von Gerätschaften, mit denen die Naturwissenschaftler Teilchen zum Fliegen bringen. Nach der Schule arbeitete Tony Cragg im Forschungslabor der National Rubber Producers. Er zeichnete Glaskolben und Reagenzgläser. Nach dem Kunststudium ging er mit dem Landart-Künstler Richard Long auf Wanderschaft, sammelte dabei aber nicht nur Holz und Steine, sondern auch Wegwerfartikel. Erst stapelte er die Fundstücke in „Stacks“, dann breitete er sie auf dem Boden aus.

Cragg kann selbstironisch über die Bildhauerei reden

„New Stones Newtons Tones“ hieß das erste Mosaik aus Fundstücken vom Rheinufer. Eislöffel, Sandschaufel, Kamm: Cragg legte sie in den Farben des Lichtspektrums aus. Da hatte der aus Liverpool gebürtige Künstler schon seine Heimat in Wuppertal gefunden. Bis 2013 lehrte er an der Kunstakademie Düsseldorf, deren Rektor er schließlich wurde. Und er unterrichtete fünf Jahre an der UdK in Berlin.

In Wuppertal entwickelte er in der Villa Waldfrieden mit ihrem zwölf Hektar großen Park ein Zentrum für Bildhauerei und eine Bleibe für sein eigenes Werk. Cragg ist einer der bedeutendsten Bildhauer weltweit und in vielen Museen, Sammlungen und an öffentlichen Plätzen präsent. Im Mai eröffnet in den Giardino di Boboli in Florenz eine Schau mit seinen Skulpturen.

Tony Cragg kann amüsant und selbstironisch über seine Leidenschaft reden, die Bildhauerei. Seine Werke tragen sprechende Namen wie „Breakaway“, „Willow“ oder „Arising“. Ein wenig aus der Reihe tanzt die sich aufbäumende Schlangenlinie aus Edelstahl vor dem Wuppertaler Opernhaus: „I’m alive“ von 2004 entstand in einer Phase, in der seine Kräfte schwanden. Es stellte sich heraus, dass er an Glutenunverträglichkeit litt. Der Künstler, der so viel Leben in die Materie schickt, konnte aus der Nahrung keine Energie mehr gewinnen. Auf die Frage, wie es ihm gehe, antwortete er damals: „I’m alive“. In seinem weiträumigen Atelier arbeitet Tony Cragg mit Assistenten an mehreren Skulpturen gleichzeitig. Sie wurden zuletzt immer komplexer und formenreicher. An diesem Dienstag feiert er seinen 70. Geburtstag.

Tony Cragg – New Works. Bis 12. 5. Skulpturenpark Waldfrieden, Wuppertal. Di – So, 10 – 18 Uhr

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