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"Er weiß, dass sie verheiratet ist. Mehr weiß er nicht.“ - Deborah Levys Kurzgeschichten.

© Promo/Wagenbach Verlag

Deborah Levy mit "Black Vodka": Höhlenfrauen

Zehn Frauentypen zeigt Deborah Levy in "Black Vodka". Ihre Mini-Dramen fassen Hoffnungen und Bindungsängste - und führen eine Mikrowelle zum Sinn des Lebens.

Je disparater die Verhältnisse, desto größer die Sehnsucht nach stabilen Beziehungen. Sie umtreibt auch die Protagonisten von Deborah Levys Kurzgeschichte „Ein besseres Leben“, zwei Waisen, die ihre miteinander endlich gefundene Geborgenheit regelrecht zementieren, bis kein Entkommen mehr möglich ist. Haus, Garten, drei Katzen, schließlich die Hochzeit: „Wir sagten in sämtlichen europäischen Sprachen ja. Ja. Wir sagten ja, wir sagten ja, ja zum Nebelhaften, aber Gewaltigen, wir sagten ja zur Hoffnung, die nebelhaft sein muss, ja zur Liebe, die immer blind ist.“

Andere sind notorische Zweifler: unzufrieden mit Job, Aussehen und Freundschaften, geplagt von Trennungen und gescheiterten Plänen. Und stets herrscht der Zwang zur Selbstoptimierung: „Ich will cool sein“, sagt Cass aus der Geschichte „Höhlenfrau“. Sie will endlich blaue Augen haben und begibt sich in die Hände eines gottähnlich wirkenden Chirurgen. Levy entwirft Mini-Dramen, die große Hoffnungen und große Bindungsängste in präzisen Sätzen festhalten.

Deborah Levy mit starken Sätzen und starken Frauen

Die in Südafrika geborene Engländerin beginnt ihre zehn, in verschiedenen Städten Europas spielenden Kurzgeschichten mit starken Einstiegssätzen: „Warum haben die Leute nachts eigentlich immer so einen Durst?“ Oder: „Als ich Lisa sah, wusste ich, dass sie mir helfen würde, ein ganz anderer Mensch zu werden.“

Und sie hat starke Frauen wie Margret, die nicht verstehen kann, warum ihr Mann ihr eine Mikrowelle geschenkt hat. Das Rätsel lässt sich auch mit Hilfe des gelegentlich herbeigerufenen Liebhabers nicht lösen. Doch wenigstens die Mikrowelle findet den Sinn des Lebens: Der Gatte bekommt einen Imbiss serviert - und wird nach dem Sex zügig abserviert: „Er weiß, dass sie ihn nicht braucht. Er weiß, dass sie Langustinen in einer brandneuen Mikrowelle perfekt garen kann. Er weiß, dass sie verheiratet ist. Mehr weiß er nicht.“

So geht es auch um die Unverbindlichkeit von Beziehungen. Wie viel will man eigentlich vom anderen wissen? Und wie viel will man von sich selbst verraten? Die Botschaft dieser hochrangigen Geschichten aus dem Betriebssystem des 21. Jahrhunderts ist ziemlich ernüchternd: Du bist das, was du aus dir machst. Hilfe von anderen ist nur ausnahmsweise zu erwarten.

Deborah Levy: Black Vodka. Erzählungen. Aus dem Englischen von Barbara Schaden. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2014. 123 Seiten, 16,90 €.

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