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Klotzig. Gutbrods Kunstgewerbemuseum am Kulturforum.

© Kitty Kleist-Heinrich

Das Waterloo am Kulturforum: Warum der Berliner Architekt Rolf Gutbrod unterschätzt wird

Sein Kunstgewerbemuseum wurde zum Desaster. Das ist eigentlich ungerecht. Ein Buch würdigt das ganze Schaffen des Berliner Architekten Rolf Gutbrod.

In den 1960er Jahren stand Rolf Gutbrod im Zenit seiner Architektenlaufbahn. Zwischen 1965 und 1967 schuf er mit Frei Otto den Deutschen Pavillon bei der Expo im kanadischen Montreal, 1966 hatte er im Wettbewerb für die Museen am Berliner Kulturforum mit der Überarbeitung seines Entwurfs den Zuschlag erhalten. Gleichzeitig entstanden in Köln die Bauten für Hörsäle und Bibliothek der Universität.

Zudem erhielt er „meist großvolumige Aufträge im arabischen Raum“, wie Joachim Kleinmanns in seiner Monografie zum „architektonischen Werk von Rolf Gutbrod“ schreibt, deren Titel „Eine Haltung, kein Stil“ so etwas wie das Motto des Lebenswerks darstellt.

Und dann geriet Gutbrod ins Abseits. Berlin wurde der Ort seiner Niederlage, das Kulturforum sein Waterloo. Als 1985 das Kunstgewerbemuseum eröffnet wurde, war dieses Gebirge aus Beton bereits so sehr aus der Zeit gefallen, dass dem eben noch gepriesenen Meister der Weiterbau entrissen wurde. Gutbrod, nun schon 75, wurde in den Ruhestand geschickt, sein Œuvre verfiel in Schweigen.

Das ist ungerecht, nicht wegen der missglückten Kunstforums-Bauten, denn es gibt gerade in Berlin Bauten Gutbrods, die über jeden Zweifel erhaben sind. Darunter die IBM-Dependance am Ernst-Reuter-Platz, 1963 fertiggestellt, und das drei Jahre später bezogene Dorland-Haus An der Urania.

Die Eleganz beider Bauten, vor allem des auf dreieckigem Grundriss über transparentem Sockelgeschoss sich erhebenden Dorland-Hauses, steht für den Optimismus der prosperierenden Sechziger. Der fand im Zeltdach des Expo-Pavillons in Montreal seinen Höhepunkt; ihm wurde der Spitzname „Swinging Germany“ zuteil.

Das Buch ist ein solides Werkverzeichnis

Daneben hat Gutbrod das Hochhaus gegenüber der Deutschen Oper gebaut, das Max-Planck-Institut in Dahlem sowie die beiden Hochhäuser „Jorinde“ und „Joringel“ in der Gropiusstadt. An allen Entwürfen sind zeittypische Elemente zu finden, wie Sonnenschutzgitter, Fassadenbänder, rhythmisch gestaffelte Balkone. Aber nie alles zugleich. Gutbrod hatte keinen „Stil“, er legte auf Erkennungsmerkmale keinen Wert.

Dass der grobschlächtige Beton der Kulturforumsbauten zum bleibenden Eindruck geriet, ist tragisch. Womöglich hätte man mit dem Architekten, nicht nach ihm zu einer Kurskorrektur kommen können, ehe die Blamage so fest dastand, dass es eines mutigen Berliner Senators bedurfte, wenigstens dessen bauliche Fortsetzung zu verhindern.

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Kleinmanns’ Buch ist ein solides Werkverzeichnis, erarbeitet auf Grundlage des in universitäre Obhut gegebenen Nachlasses. 251 Nummern umfasst das Werkverzeichnis, inklusive Entwürfen und Wettbewerbsbeteiligungen.

Gutbrod hat vieles von dem bauen können, und wahrlich große Aufträge, wie die legendäre „Liederhalle“ in Stuttgart, die er ab 1949 als womöglich sogar ersten asymmetrischen Konzertsaal gemeinsam mitAdolf Abel und in Konkurrenz zu Scharoun entworfen und bis 1956 gebaut hat.

Dass das Kulturforum misslang, lag an der zähen Bürokratie

Der Komplex wird gern als „organisch“ bezeichnet, ein Verweis auf Gutbrods anthroposophische Prägung als Waldorf-Schüler. Was ihn nicht hinderte, im „Dritten Reich“ Karriere als „unpolitischer“ Fachmann zu machen. Als Bauleiter bei der Wehrmacht knüpfte er Kontakte, die beim Übergang in den bundesdeutschen Wiederaufbau halfen.

In den sechziger Jahren gab er die Leichtigkeit zugunsten eines Beton-Brutalismus auf, der hierzulande kaum Anhänger fand, zumal er die Wuchtigkeit etwa beim Kunstgewerbemuseum mit Ziegelornamenten gefällig zu machen suchte. Gutbrod suchte keine unverkennbare Formensprache, sondern für jede Aufgabe das geeignete Bauwerk.

[Joachim Kleinmanns: Eine Haltung, kein Stil. Das architektonische Werk von Rolf Gutbrod. DOM publishers, Berlin 2021. 300 S. m. 260 Abb., 28 €.]

Dass ihm genau das am Kulturforum misslang, lag mehr an einer zähen Bürokratie, die den Architekten auf einen andersartigen Zweitentwurf hingelockt hatte. Mit Joachim Kleinmanns’ Buch werden die Fehlgriffe nicht geringer, doch ordnen sie sich in den Kontext eines im Ganzen beeindruckenden Lebenswerkes ein.

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