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Das neue Bauhaus-Museum in Weimar, entworfen von der Berliner Architektin Heike Hanada.

© Martin Schutt/dpa

Das neue Bauhaus-Museum: Weimarer Replik

Wo alles begann: Das neue Bauhaus-Museum der Architektin Heike Hanada öffnet die Stadt der Klassik zur Moderne.

„Das Bauhaus kommt nicht nur aus Weimar, das Bauhaus lebt in Weimar!“ Dieser euphorische Ausruf steht am Ende eines Aufsatzes, mit dem Ulrike Bestgen, Kuratorin des neuen Bauhaus-Museums in Weimar, schon mal Vorfreude geweckt hat. Am Donnerstag nun hob sich der sprichwörtliche Vorhang zur Vorbesichtigung. Weimar ist die erste der drei Städte – neben Dessau und Berlin –, die sich das Erbe dieser epochalen Lehranstalt namens „Bauhaus“ teilen und jeweils die Errichtung eines neuen Museums beschlossen haben. Dessau folgt im Herbst, und Berlin bekommt einen Neubau neben dem Bauhaus-Archiv, der allerdings noch Jahre auf sich warten lassen wird.

In Weimar ist das Bauhaus am 12. April 1919 gegründet worden, hier hat es sechs Jahre gelebt, gewirkt, gearbeitet, ehe es Anfang 1925 von dem politisch nach rechts gerückten Stadtrat hinausgeworfen wurde und nach Dessau übersiedelte. Die historischen Gebäude der Lehranstalt sind erhalten, es sind die der Großherzoglichen Kunstgewerbeschule, die Henry van de Velde bis 1911 errichtet hatte. Der belgische Meister des Jugendstils war es, der Walter Gropius als seinen Nachfolger empfahl, der dann das Staatliche Bauhaus begründete.

So wurde aus Weimar ein Zentralort „der“ Moderne. Doch erst seit 1995 besaß die Stadt ein Bauhaus-Museum, untergebracht in einem eher provisorischen Bau – gegenüber dem Nationaltheater, unter den strengen Blicken des Dioskurenpaares der deutschen Klassik, Goethe und Schiller, die ehern auf hohem Denkmalssockel stehen. Diese räumliche Beziehung ist nicht zufällig. Ebenso wenig, dass das neue Bauhaus-Museum diesen scheinbar doch idealen Standort aufgegeben hat und auf Beschluss der Stadt Weimar das Grundstück der einstigen, zu DDR-Zeiten allbekannten „Minol“-Tankstelle schräg hinter dem „Gauforum“ aus Nazi-Zeiten bezogen hat.

Höhepunkte deutscher Geschichte

„Die intellektuelle Physiognomie dieser Stadt und der Klassik Stiftung Weimar wird sich ändern“, verkündete gestern Stiftungspräsident Hellmut Seemann. Weimar werde „eine Stadt der Verdichtung intellektueller Höhepunkte der deutschen Geschichte werden“. Das ist nicht zu hoch gegriffen. Denn zum Bauhaus-Museum, das die bislang nur unzulänglich präsentierte Sammlung von mittlerweile rund 13 000 Objekten der Bauhaus-Geschichte in sorgfältig gewählten 1000 Vorzeigestücken ins Licht rücken wird, gesellt sich das heute Neues Museum genannte, ehedem Großherzogliche Museum in nächster Nähe hinzu. Dort haben die Klassik Stiftung Weimar (KSW) Stiftung und der Direktor ihrer musealen Einrichtungen, Wolfgang Holler, ein Museum der Vorgeschichte des Bauhauses eingerichtet– vom Historismus über den Jugendstil van de Veldes bis zum Moderne-Verfechter Harry Graf Kessler. Erst dessen Besuch führt vor Augen, warum das Bauhaus 1919 einen solchen Bruch bedeutete, wovon es sich befreien musste, kurz: was die Stunde geschlagen hatte.

Die Entstehungsgeschichte des neuen Bauhaus-Museums ist eine längere Erzählung, wie meist bei solchen ambitionierten Bauvorhaben. Heike Hanada, die in Berlin ansässige, zudem eine Professur in Dortmund ausfüllende Architektin, hatte ein mehrstufiges Verfahren gewonnen und KSW-Stiftungsrat und Stadt Weimar überzeugt. Die Mittel, die der Bundestag in einer spätabendlichen Sitzung überraschend bewilligte, stellten die lang schon geäußerte Idee eines Museums-Neubaus auf finanzielle Füße, und nun ist für gut 27 Millionen Euro ein Bauwerk entstanden, das nicht nur ein schönes und geeignetes Behältnis für die kostbare Sammlung, sondern selbst ein Ausdruck der heutigen Moderne und ein Bekenntnis zu ihr darstellt.

Aus der Ferne sieht man einen weißgrauen Klotz, der sich kantig und verschlossen von der Gebäudeecke des „Gauforums“ absetzt. Beim Näherkommen zeigt sich die Oberfläche des Beton-Monolithen erstaunlich differenziert, nicht glatt, sondern eher schartig. Ein hoher, in Aluminiumprofilen gefasster Eingang lädt zum Hineingehen ein. Es öffnet sich ein überraschend hohes Foyer, wie sich der Klotz im Inneren überhaupt als lichtes Gefüge gegeneinander versetzter Ebenen und Öffnungen zeigt.

27 Millionen? In Berlin wäre man über 100 Millionen nicht erstaunt

Es ist gar nicht leicht, das Raumgefüge zu entschlüsseln; bis man begreift, dass jeweils doppelgeschossige Foyers ineinander verwoben sind, von denen seitlich die eigentlichen Ausstellungsflächen in drei Obergeschossen abzweigen. Entsprechend sind auch die Treppen von einem zum anderen Stockwerk versetzt. Wenige, unregelmäßig gesetzte Fenster geben Ausblicke auf die Stadt und den vor dem Museum liegenden Park, der die ursprüngliche Topographie bewahrt – ein Tal vor den Toren der Altstadt, das erst durch die Aufschüttung der Nazi-Zeit aus dem Bewusstsein nahezu getilgt wurde.

Auf diesen Park, auf die immerhin sechs Meter Höhenunterschied ausmachende Geländekante hat Heike Hanada das Gebäude bezogen, das so zu einer Verklammerung der bislang so brüsk geschiedenen Areale beiträgt.

Und das soll nur 27 Millionen Euro gekostet haben? In Berlin wäre man über 100 Millionen für ein Gebäude dieser Größe und Güte nicht erstaunt. Doch, es wurde – gespart ist nicht der richtige Ausdruck; denn Heike Hanada hat von vorneherein sehr streng, sehr puristisch geplant. Der Beton, aus dem das Haus besteht, bleibt überall sichtbar, überzogen im Inneren nur von einer millimeterdünnen Schlämmschicht – kein Putz! –, die die Struktur des Betons mit allen Spuren der bauzeitlichen Schalung erhält. Die doppelläufigen Deckenträger bergen in ihrer Mitte zugleich die technische Ausrüstung, insbesondere die Leuchtröhren. Die Treppen sind schmal und steil.

Das ist im Grunde auch eine Aussage – eine Aussage über die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, da das Bauhaus entstand und buchstäblich „ganz klein“ anfing mit Werkstattarbeiten in Ton und Holz. Die vermeintliche Orientierung auf industrielle Produktion kam erst in Dessau. In Weimar waberte es anfangs erheblich, sammelten Verkünder obskurer Lehren wie der Maler Johannes Itten ihre Gemeinde um sich. Davon erzählt das neue Museum wenig, aber es zeigt in einer der wunderbaren Vitrinenauslagen des Designbüros Holzer Kobler etwa die 168 originalen Stücke, mit denen Gropius 1925 den Abschied des Bauhauses aus Weimar gab: alles Einzelwerke, denen anzusehen ist, dass sie keine Zukunft haben konnten.

Auf einmal zeigt sich das karge Museumsgebäude als ideale Hülle

Die steckt viel eher in der Ausstattung von „Haus Horn“, dem einzigen Bauhaus- Bauwerk in Weimar auf der Höhe über dem Ilm-Park. Es ist ab sofort als Teil der musealen Bauhaus-Präsentation zugänglich. Im Museum werden die Möbel gezeigt, die damals entstanden, unter denen die variablen Kinderzimmermöbel von Alma Siedhoff-Buscher in ihrer Wandelbarkeit für unterschiedliche Altersstufen hervorstechen. Einen komplementären Bereich zum funktionsbezogenen Wohnen bildete die Bühne. Vom Puppenspiel bis zu Oskar Schlemmers „Triadischem Ballett“ ließ sich in Tanz, Musik, Inszenierung ein Freiraum verwirklichen, der alle Künste einbezog – und in den legendären Studentenfesten eine profane, aber nicht minder phantasievolle Fortsetzung fand.

Und mit einem Mal zeigt sich das karge Museumsgebäude Hanadas als ideale Hülle, die zurücktritt hinter die Objekte, ohne dabei gleichförmig zu sein wie die so gern für die Kultur des 20. Jahrhunderts bemühte Fabrikhalle. Aber man muss auch hinübergehen ins Neue Museum, um die Opulenz, den Reichtum der Formen und die Behaglichkeit eines Henry van de Velde auf sich wirken zu lassen, auch den Nietzsche- Kult, der in Weimar wahrlich Blüten trieb und hier in einem Dutzend Nietzsche-Büsten ironisch auflebt. Und man erkennt, dass es nach dem Ersten Weltkrieg keinen Anschluss mehr geben konnte an diese überfeinerte, diese „cultivierte“ Kultur, auch nicht an die elegante Moderne des Grafen Kessler.

In Weimar musste das Bauhaus neu anfangen, ehe es in Dessau zu ganzer Kraft und Wirkung fand. Das erste Kapitel wurde in der Klassik-Stadt geschrieben, die das jetzt nicht mehr sein will, sondern eine „Verdichtung“ deutscher Geschichte, inklusive „Gauforum“ und Buchenwald, beide Teil einer fürchterlich anderen Seite derselben Moderne.

Freier Eintritt in beide Museen am 6. und 7. April (mit Museumsfest), Infos unter www.klassik-stiftung.de

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