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Daniel Müller-Schott wurde 1976 in München geboren.

© Uwe Arens

Das neue Album des Cellisten Daniel Müller-Schott: Klangreisen nach Paris und Boston

Zusammen mit dem Deutschen Symphonie-Orchester interpretiert der Cellist Daniel Müller-Schott Werke von Lalo, Honegger, Saint-Saens und Fauré.

Geistreich soll die Konversation sein, elegant und amüsant, wobei sich Witz und Schlagfertigkeit aus der profunden Kenntnis des kulturellen Erbes speisen. Die Regeln der französischen Salon-Gespräche galten im 19. Jahrhundert auch für die Musik. Betörende melodische Einfälle wurden geschätzt, Transparenz des Tonsatzes und raffinierte Klangfarben. „Divertissement“, übersetzbar mit „Zeitvertreib“, hat im Französischen einen weniger abwertenden Beigeschmack als das deutsche Wort „Unterhaltung“, bei dem stets „unter Niveau“ mitschwingt.

„Four Visions of France“ nennt der Cellist Daniel Müller-Schott sein neues Album (erschienen beim Label Orfeo): Es sind Werke von Gabriel Fauré, Camille Saint-Saens, Edouard Lalo und des zwar in der Schweiz geborenen, aber in Frankreich ausgebildeten Arthur Honegger, die er präsentiert, stilsicher unterstützt vom Deutschen Symphonie-Orchester Berlin und dem 1985 in der Touraine geborenen Dirigenten Alexandre Bloch.

Seine Virtuosität wirkt mühelos

Sehnsüchtige Kantilenen singt Müller- Schott auf seinem Instrument in der „Elegie“ von Fauré und der „Romance“ von Saint-Saens, scheinbar mühelos gehen ihm selbst die vertracktesten Passagen im 1. Cellokonzert von Saint-Saens von der Hand. Stets bleibt sein Spiel geschmeidig, auch bei Lalo, der vom Interpreten oft recht robuste Leidenschaft verlangt.

Eine echte Entdeckung ist das Cellokonzert von Honegger. Er war zwei Generationen jünger als die drei anderen Komponisten des Albums, deren Werke zwischen 1872 und 1880 entstanden sind. Honegger gehörte zur „Groupe des Six“, die nach dem Ende des Ersten Weltkriegs endgültig Schluss machen wollte mit der Romantik, um eine neue, zeitgemäße Musiksprache zu erfinden.

Honeggers Cellokonzert ist eine Entdeckung

Honegger hat sein Konzert 1929 komponiert, als Auftragswerk für das Boston Symphony Orchestra – und man kann es als Porträt des „american way of life“ hören. Es beginnt in schläfrig-hochsommerlicher Atmosphäre, der Solist ergeht sich in Tagträumereien, aus denen sich eine lässig-jazzige Melodie im Stil von George Gershwin entwickelt. Dann aber bricht der Lärm der Großstadt los, so als hätte jemand das Fenster geöffnet. Urbane Hektik macht sich im Orchester breit, mehrere Motive schießen durcheinander.

Im zweiten Satz schwenkt der Blick von Downtown hinüber zu den ärmeren Vierteln: Ein bitterer Blues erklingt, die Musik erzählt von sozialer Ungleichheit in den USA. Das Finale ist wieder virtuos angelegt, als Kräftemessen zwischen Orchester und Solist, mit treibenden Rhythmen, hupenden Autos und scharfen Dissonanzen des Industriezeitalters. Kurz scheint nochmal die entspannte Atmosphäre des Anfangs auf, doch das Werk endet im lauten Metropolensound. Honeggers Partitur ist stilistisch so vielfältig, ästhetisch so zerrissen wie die Zeit, in der sie entstand.

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