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Anarcho-Humoristen. Das Helmi verwandelt sich Wölfe, Giraffen und Schakale an.

© Holger Rudolph

Das Helmi im Ballhaus Ost: Giraffen und Schakale

Gewaltfreie Kommunikation und krasse Fratzenpuppen: Das Helmi zeigt die Performance-Revue "Giraffen und Schakale" im Ballhaus Ost.

Der Wolf ist wirklich ein miserabler Zuhörer. Und in allem, was er sagt, stecken Vorwürfe, Wertungen, Forderungen. Seine gesamte Kommunikation wird zum toxischen Komplex aus Schuld und Scham. Böser Wolf!

Die Giraffe dagegen ist ein wahres Prachtexemplar von Gesprächspartner. Sie besitzt Weitsicht, schon physiognomisch bedingt, hat ein riesengroßes Herz und, nicht zu vergessen, enorme Ohren, die jedes Wort des Gegenübers vorurteilsfrei aufsaugen. Brave Giraffe!

Der US-amerikanische Psychologe Marshall B. Rosenberg hat gern zwei Handpuppen benutzt, um sein Konzept der „Gewaltfreien Kommunikation“ zu vermitteln, in Insiderkreisen kurz GFK genannt.  Im Grunde geht’s darum, Gespräche weniger als Scharmützel aus Angriff und Verteidigung zu führen, sondern mal in Ruhe aufeinander einzugehen.

Rosenberg ist damit durch die finstersten Krisengebiete getourt, höchst erfolgreich, wohlgemerkt. Beispiel Gaza: Da wurde er an jeder Ecke als Kindermörder oder Ami-Bastard beschimpft. Und hat die Palästinenser dann einfach mal gefragt, ob sie sich in ihrem Alltag vielleicht eine andere Art von Unterstützung als mit Bomben wünschen würden? Super Türöffner, der Mann wurde sofort zum Ramadan-Feiern eingeladen.

In ihrer jüngsten Produktion „Giraffen und Schakale“ geht die famose Gruppe Das Helmi nun der praktischen Anwendbarkeit dieser GFK in einer überbordenden Performance-Revue auf den Grund. Eine Reihe von Gästen hat sich das Team aus Felix und Florian Loycke, Burckhart Ellinghaus, Brian Morrow, Emir Tebatebai sowie Dasniya Sommer dazu ins Ballhaus Ost eingeladen.

Berühmt wurde sie mit exzentrischen Schaumstoffpuppen

Überwiegend Künstlerinnen und Künstler mit Behinderung. Die als Anarcho-Humoristen mit exzentrischen Schaumstoff-Puppen berühmt gewordenen Helmis haben sich ja in den vergangenen Jahren zu einem der spannendsten Acts im Feld von Disability & Performing Arts entwickelt.

Klar, die krassen Fratzen-Puppen spielen nach wie vor mit. Rosenberg höchstselbst tritt auf, dazu Giraffen, ein Wolf und Schakale – die haben hier die Rolle der Bösewichte mit verstopften Ohren übernommen. Aber ein zentraler Part in diesem Stück – das für alle Zuschauerinnen und Zuschauer mit einer Übung im friedlichen Dialog an Tischen vor dem Bühneneinlass beginnt – ist eine rein menschlich gespielte Sequenz aus Tennessee Williams’ „Endstation Sehnsucht“.

[Ballhaus Ost, Pappelallee 15, Prenzlauer Berg, wieder am 30. November und 1. Dezember, jeweils 20 Uhr]

Bekanntlich ein Königsbeispiel für mit Worten ummantelte Sprengfallen in jedem Satz. Und ganz nebenbei: Stanley Kowalski von einem Perfomer mit Down-Syndrom verkörpern zu lassen – das ist mal eine Idee, die wirklich neue Perspektiven aufmacht. 

„Giraffen und Schakale“ ist in seiner schillernden, immer wieder auch musikalischen Ausgelassenheit definitiv kein Ratgeber-Abend für „Du, ich hör dich“-Schluffis geworden. Rosenbergs Ideen werden im Wesen aber trotzdem ernst genommen. Vor allem liefert die Performance den praktischen Beweis, dass Zuhören ein ziemliches Vergnügen sein kann.

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