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Leben ist ein Wunschkonzert. Schauspielerin Lisa Klabunde als Anna.

© David Baltzer / Bildbuehne.de

Das Grips-Theater am Hansaplatz öffnet wieder: Ersatzverkehr auf Linie 1

Volle Klatsch- und Trampelbude geht nicht: Wie das Grips ab September Theater für Kinder und Jugendliche macht.

Wie grundlegend gerade alle Gewissheiten infrage gestellt werden, das beweist ein Blick ins Grips-Liederbuch. Man dachte ja immer, die Lebensweisheiten, die in dieser Mao-Bibel der Songsammlungen enthalten sind, würden für die Ewigkeit gelten. Aber was ist zum Beispiel mit „Meins oder Deins, was für ne doofe Frage?“ Hat das noch Bestand?

„An den Schulen geht es jetzt darum, dass nicht mehr geteilt werden darf“, stellt Philipp Harpain auf der Pressekonferenz zur anstehenden Spielzeiteröffnung des Grips-Theaters mit hörbarem Bedauern fest. Schon wieder ein Sieg des Virus über die Solidarität.

Die Generation Corona erlebt krasse Zeiten

Überhaupt, findet der künstlerische Leiter, erfahre die „Generation Corona“ ja gerade einen ziemlich krassen Lebenseinschnitt. Wozu auch gehört (obwohl Harpain das selbst nicht so sagt), dass das Theaterschauen am Hansaplatz auf unbestimmte Zeit nicht mehr dasselbe sein wird.

Zunächst mal ist das Undenkbare geschehen und die „Linie 1“ vorerst vom Spielplan verschwunden. Zu viele Beteiligte auf der Bühne, zu viel Musik – das Kultstück lässt sich nicht einfach so an die aktuellen Hygienevorgaben für Kultureinrichtungen in Berlin anpassen. Die sehen ja vor, dass beim Singen ein 4-Meter-Abstand zum Publikum und ein 2-Meter-Abstand zwischen den Künstlern einzuhalten ist.

Aber auch bezüglich der Atmosphäre wird sich in näherer Zukunft mancher umschauen, der das Kinder- und Jugendtheater bislang nur als energetisch entfesselte Klatsch- und Trampelbude kannte. Im großen Saal am Hansaplatz sind erstmal nur 56 statt 357 Zuschauer zugelassen, gerade mal zwei Schulklassen also. In der Zweitspielstätte im Podewil sind es 28 statt 140. Also nur noch eine Klasse.

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Vorausgesetzt, dass welche kommen wollen. Auch Harpain ist klar, dass Schulen gerade sehr viel damit zu tun haben, „den Lehrbetrieb wieder aufzunehmen“. Von den wegen Corona-Fällen schon wieder nach Hause geschickten Klassen ganz zu schweigen. Trotzdem hoffen sie am Grips auf die Rückkehr des Stammpublikums, wie wohl alle Jugendtheater republikweit.

Immerhin, dem Haus droht trotz der unvermeidlichen Einnahmenverluste nicht die Pleite. Zumindest in diesem Jahr nicht – was sich unter anderem der natürlich weiter gezahlten Senatsförderung und einem ziemlich komplexen Kurzarbeitmodell verdankt.

Überhaupt, das lässt Harpain durchblicken, liegt ein recht verwaltungs- und planungsintensiver Sommer hinter seinem Team. „Personenströme organisieren“, Lüftungsanlage checken, „Gesangselemente in Aufführungen reduzieren“ und vieles weitere, was in einem 10-Punkte-Plan in der Pressemappe unter dem Stichwort „Hygienemaßnahmen“ aufgeführt ist. Das alles hat Ressourcen und sicher Nerven gekostet.

Zwei Premieren markieren den Start

Umso erfreulicher, dass nun zumindest für die Monate September und Oktober ein ansehnlicher und vielversprechender Spielplan steht, zumindest unter Zweite-Welle-Vorbehalt. Im Repertoire bleiben Stücke wie „Nasser #7Leben“, „Alle außer das Einhorn“, „Die Millibillies – Ein fabelhaftes Konzert“ (vom Podewil an den gesangstauglicheren Hansaplatz verlegt) oder „#diewelle2020“ – eine Produktion, die nach der Premiere im März nur noch drei Vorstellungen erleben durfte, obwohl sie eigentlich bis zum Sommer ausverkauft war.

Und sogar zwei Premieren gibt es zum Start im September. Das Stück „Das Leben ist ein Wunschkonzert“ von Esther Becker in der Regie von Frank Panhans, das mit ganz eigenem Humor (und passend zur Zeit) von einem Kind in der Isolation erzählt. Sowie die Neuauflage des Volker-Ludwig-Klassikers „Bella, Boss und Bulli“ (Inszenierung: Robert Neuman), der womöglich noch ein Update der Songtexte braucht. Schließlich kommen im Original Hits vor wie das „Lied vom Küssen“.

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