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Knackig. Rote Apfelbäckchen.

© Fräulein.de

Das „Fräulein“ im Obstregal: Altbackenen Sexismus gibt's nun auch als Apfelsorte

Der Apfel „Fräulein“ ist der „Generation junger Frauen“ gewidmet, „die sich im Leben behaupten“. Unsere Autorin findet das schwer verdaulich. Eine Glosse.

Das „Fräulein“ ist wieder da. So richtig weg war der Begriff für unverheiratete Damen nie. Auch wenn tapfere Feministinnen seit den Siebzigern nicht nachlassen, die Verkleinerungsform von Frau als sexistisch zu brandmarken. Und obwohl die Anrede aus Amtsformularen und Etiketteführern glücklicherweise getilgt ist, schwimmen Fräuleins weiter wie Fettaugen auf der Sprachsuppe.

Nicht mehr als Edelfräulein, spätes Fräulein oder Frollein-Wunder der Fünfziger. Sondern als irgendwie hippe, weil altmodisch-kesse Bezeichnung für Sängerinnen (Fräulein Menke), Eisdielen (Fräulein Frost), Cafés (Fräulein Nimmersatt, Wildes Fräulein, Fräulein Dick), Blogs (Fräulein Ordnung) oder Bücher (Fräulein Smillas Gespür für Schnee).

Neuerdings liegen sie nun im Obstregal, im Supermarkt an der Ecke. Prall und rotwangig. Ein Kilo kostet knapp drei Euro. Die Haut ist fest und glänzend gewachst. Beißt man ins „Fräulein“, ist das Fleisch knackig, saftig, süß. Auf jedes Exemplar der jüngst eingeführten Apfelsorte haben fleißige Maschinen oder Hände eigens den Namenssticker gepappt.

Eine ganze Lage im Apfelregal nur Fräuleins. Obwohl rund 2000 Sorten hierzulande angebaut werden. Da werden sich Allerweltsäpfel wie Elstar, Cox Orange, Braeburn, Jonagold, Gala und Boskop künftig ganz schön schwertun. Nur die Sorte Pink Lady hält namensmäßig halbwegs mit. Gar nicht zu reden von Oma Schmidt (Granny Smith) oder Ingrid Marie.

„Fräulein“ hat der Obstbauer Gerd Sundermeyer in der Hildesheimer Börde gezüchtet. Nicht als „Laborapfel, sondern als Zufallssämling“, wie sich die Erzeugerorganisation Deutsches Obstsorten Konsortium begeistert. Der Landmann selbst sieht so rotbackig aus wie seine Innovation.

Eine Brücke zwischen Tradition und Moderne

Trotzdem hat der bescheidene Züchter davon Abstand genommen, die Sorte nach sich zu benennen. Sehr schade. Ein Apfel namens „Gerd Sundermeyer“ erinnert doch gleich an den würzigen Klassiker „Jakob Lebel“. Und an „James Grieve“, der es seltsamerweise nur in Schweizer Supermärkte schafft.

Die Namensgebung „Fräulein“ soll eine Brücke zwischen Tradition und Moderne schlagen und einen Hinweis auf sein Herkunftsland enthalten, schreibt das Obstsorten Konsortium auf der Webseite des Apfels.

Wie der nimmermüde „Stern“ weiß, ist der Name gar als Hommage an die „Generation junger Frauen, die sich im Leben behaupten“, gemeint. 180 Tonnen ist die Ernte dieses Jahr schwer. 2024 sollen bereits 15 000 Tonnen „Fräulein“ die Marktstände fluten.

Spätestens dann wäre es an der Zeit, auch endlich über eine Sorte für die vom Obstbau sträflich ignorierte neue Generation junger Männer, die sich im Leben behaupten, nachzudenken. Eine Namensgebung, die Tradition und Moderne verbindet, liegt auf der Hand: Adamsapfel. Oder doch lieber Bürschlein?

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