zum Hauptinhalt
Das waren noch Zeiten: 2007 bei der Präsentation eines iPods irgendwo in San Francisco.

© imago images / ZUMA Press

Das Ende von iTunes: Haben und Nicht-Haben

Nachdem Apple das Ende von iTunes verkündet hat, geht es in der digitalen Kultur nur noch ums Streamen und Sharen. Eine unsentimentale Erinnerung.

Als Apple-Chef Tim Cook am Montag in San José, Kalifornien auf der Entwicklerkonferenz WWDC das Ende seiner iTunes-Software verkündet hatte und diese Nachricht um die Welt ging, musste man erst einmal kurz überlegen: iTunes? Was war das noch mal? Ist das nicht eine Ewigkeit her? Mit dem iTunes–Programm hatte man so ungefähr ab Anfang der nuller Jahre den Übergang vom CD-Zeitalter in die iPod-Moderne geschafft. Das iTunes-Programm war die Vorraussetzung dafür, überhaupt mit so einem schicken tragbaren Music-Player durch die Gegend zu laufen beziehungsweise zu fahren.

Also, sentimentale Erinnerung, sprich: Wie war das in der Prä-Smartphone-Ära, und womit anfangen? Mit dem iPod? Den es mit dem schönen sogenannten Click-Wheel ja auch schon viele Jahre nicht mehr gibt. Der irgendwann nicht nur in den buntesten Miniversionen angeboten wurde, Speicherplatz von 1 bis 4 GB, sondern als klassisch großes Modell (bis 256 GB) unter anderem in der U2-Version: schwarz mit rotem Click-Rad und hinten den Unterschriften der U2-Mitglieder drauf? Oder doch besser mit iTunes, das auf jedem Apple-Computer als Programm mitgeliefert wurde?

Mit iTunes konnte man nach den wilden Piraten- und Napster-Zeiten ganz legal Musik aus dem Netz beziehen, für zehn, elf Euro pro Album, einem, zwei Euro pro Song/EP; man konnte Filme laden und auch Bücher, wenngleich gerade die literarische Auswahl zu wünschen übrig ließ (was aber weniger an Apple als mehr an den Verlagen lag, die damals noch nicht so weit waren, von wegen E-Books). Letztendlich lässt sich sagen: iTunes rettete das Geschäftsmodell der komplett im Niedergang begriffenen Musikindustrie; es gab und gibt immer noch genug Leute, die bereit waren, Geld für Musik auszugeben.

Wie lange das dauerte, CDs auf iTunes zu kopieren!

Umgekehrt ließen sich die alten CDs, diese schlimmsten aller Tonträger, diese Totengräber des guten alten Vinyls, auf iTunes überspielen, sozusagen von digital zu digitaler, vorausgesetzt der Laptop hatte ein Tonträger-Laufwerk (auch das längst perdu). Wie lange das manchmal dauerte! Und wie die Musikindustrie dieses Überspielen gerade mit den neuen Alben großer Stars zu unterbinden versuchte: Kopierschutz! Es hat sicher einige Menschen gegeben, die versucht haben, ihren gesamten CD-Bestand zu digitalisieren – und die daran verzweifelt sind. Weil manche alten CDs eben wirklich ewig lange brauchten und sich dieser Balken oben in der Leiste auf der iTunes-Oberfläche drehte und drehte. Und weil, auch das so eine Extra-Übung, die jeweiligen Cover sich nicht immer automatisch luden und erst im Netz aufgespürt werden mussten, damit man sie dann per Cursor auf das dafür vorgesehene Feld ziehen konnte.

Als das iPhone seinen Siegeszug antrat und den iPod zusehends überflüssiger machte (und überhaupt: mit wie vielen Geräten man doch so in der Prä-Smartphone-Ära herumhantierte!), war es um iTunes zwar noch nicht geschehen. Aber das Programm fing an, gewissermaßen Rost anzusetzen, insbesondere mit dem zeitgleichen Aufkommen von Streaming-Diensten wie Spotify. Auch von Apple gab es bald eine Streaming-Platform.

Hatte iTunes das Ende des physischen Tonträgers eingeläutet, so bedeuten die Streaming-Dienste das Ende des Besitzes von Musik, Filmen und vielleicht bald Literatur – und auch, das steht noch einmal auf einem anderen Blatt, den Anfang einer neuen Art von Popmusik und Film. Denn die Aufmerksamkeitsspannen sind niedriger geworden, da entscheiden die ersten Sekunden und Minuten über Leben und Tod.

Eigentum war gestern - heute wird geteilt und geliehen

Früher wunderte man sich über Menschen, die tatsächlich noch in Medienmärkte oder kleine Plattenläden gingen, um CDs oder DVDs physisch zu erwerben (nicht Vinyl!) – und die erklärten das mit ihrer Leidenschaft für das Physische, für Booklets, die Musik und Film zusätzlich erfahrbarer machten. Und heute, gerade da Apple nun verkündet hat, iTunes in drei Apps aufzuteilen, eben für Musik, TV und Podcast, wundert man sich darüber, dass noch nicht alle Welt Musik, Serien und Filme streamt – und diese Restwelt kontert die Verwunderung damit, das Kulturprodukt gehöre ihr dann aber, es sei nicht einfach verschwunden, wenn das Streaming-Abo erlischt. Oder wenn es zweimal zu überlegen gilt, wie viele Streaming-Abos man noch so abschließen will. Ja, und was ist, wenn die eines Tages so richtig teuer werden sollten?

Doch die Zukunft heißt streamen und sharen. Wer will in fluiden Zeiten wie diesen mit mehr Ballast als nötig um die Welt ziehen? (Trotzdem stapeln sie sich weiter in Kisten, die doofen CDs, so leicht fällt die Trennung trotz aller Spotifys, Tidals etc. halt doch nicht). Die digitale Revolution, auch sie frisst ihre Kinder ohne Unterlass. Mochte man jedoch dem iPod manche Träne nachweinen, so hält sich die Trauer um das Ende von iTunes sehr in Grenzen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false