zum Hauptinhalt
Auf der Strecke geblieben. Weimarer Porzellankännchen.

© Susanne Katzenberg

Das Ende einer Dynastie: Erinnerungen an Weimars berühmte Porzellanmanufaktur

Letztes Jahr wurde Weimars Porzellanmanufaktur nach über 200 Jahren aufgelöst. Die Fotografin Susanne Katzenberg widmet ihr einen Bildband.

Es ist ja nicht so, dass man „Jutta“ und „Svea“ unbedingt bei sich zu Hause stehen haben möchte. Die Zeiten bauchiger Vasen mit üppigem Dekor sind vorbei – selbst wenn die Rosen und Tulpen von Hand gemalt wurden.

Dennoch beschleicht einen angesichts der Bilder von Susanne Katzenberg, die neben den beiden eher unzeitgemäßen Exemplaren auch ein schnittiges Fünfzigerjahre-Service wie „Mekka“ festgehalten hat, ein flaues Gefühl. Was die Fotografin in ihrem Buch „Unverloren“ zusammenträgt, dokumentiert den unwiderruflich Niedergang einer ganzen Dynastie.

Im Frühjahr 2019 reiste die Fotografin von Hamburg nach Weimar Richtung Bauhaus-Jubiläum. Ein Ausflug brachte sie in die Kleinstadt Blankenhain, und dort, an der einstigen Porzellan-Straße von Thüringen, stolperte sie über ein verblasstes Schild: Räumungsverkauf am 3. Januar. Die Abwicklung der Manufaktur Weimar Porzellan hatte schon stattgefunden.

Katzenberg durfte trotzdem in die vermeintlich leeren Hallen. „Ebenso gespenstisch wie friedlich“ fand sie es dort, vor allem aber voller Lebenszeichen. Hier vertrocknete Topfpflanzen, dort Arbeitsschuhe, und überall auf dem Fußboden zeichneten sich im Porzellanstaub die Spuren der Mitarbeiter ab, als hätten sie gestern erst das Werk verlassen.

Auch die Fotografin ist zurückgekommen. Fast ein Dutzend Mal hat sie die alten Formen im Lager und die stillen Arbeitsplätze der Porzellanmaler besucht, wo immer noch letzte Geschirre auf ihr Dekor warteten. Ihr Blick schweifte durch Epochen, erfasst die barocken Kurven wieder aufgelegter Services, den goldenen Rand der Teekanne „Exquisit“ oder das verspielte, grafische Muster der Zuckerdose „Romania“.

Nach der Wende folgt der ersteKonkurs

Katzenberg fotografiert nur mit Tageslicht. Sie inszeniert auch nichts, sondern sucht nach dem richtigen Moment. „Unverloren“, nach einem Zitat aus Goethes „Faust“, versammelt all ihre ästhetischen Impressionen, mischt sie mit historischen Aufnahmen und ergänzt sie durch Porträts jener Menschen, die teils seit Generationen bei Weimar Porzellan arbeiteten.

Zusammen erzählen Bild und Text die Geschichte eines traditionsreichen Werks: 1790 gegründet, anschließend mehrfach verkauft, 1948 zum volkseigenen Betrieb umgewandelt. Später lag der Fokus auf den östlichen Exportmärkten.

[Susanne Katzenberg: „Unverloren“, Edition Braus, 128 S., 29,95 Euro]

Nach der Wende folgte bald der erste Konkurs, 2018 die erneute Insolvenz mit abschließendem Ausverkauf. Eine traurige, wohl aber unausweichliche Geschichte. Nicht einmal am Tisch der ehemaligen Mitarbeiter, zwischen Kunstblumen und Plastiktischdecke, wurde aus Weimarer Porzellan getrunken: Die Kaffeebecher, die bei Katzenbergs Ankunft immer noch standen, sind aus billigem Steingut.

So lebendig ist das Erbe des Bauhaus

„Unverloren“ präsentieren sich die Schätze der älteren wie jüngeren Geschichte deutscher Porzellankunst nun im Blick der Fotografin, Jahrgang 1967 und bei Arno Fischer in Berlin ausgebildet. Als Katzenberg erfuhr, dass der gesamte Formenfundus der Vase „Tini“ aus den Sechzigern, ein Entwurf des Formgestalters Peter Smalun, verkauft oder alternativ zerstört werden sollte, sprang sie selbst ein.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]

„Schockverliebt“, wie die Fotografin gesteht, suchte sie nach einer Möglichkeit, die Produktion fortzusetzen – und fand Martin Pössel, der nach einem Studium des Produktdesigns an der Bauhaus-Universität nun eine kleine Manufaktur in Weimar führt.

Aus dem Buch ist so noch das Projekt „Unverloren“ hervorgegangen, es kulminiert in Weimar und zeigt, wie lebendig das Erbe des Bauhauses am Ende ist: als Vase „Tini“ wie auch als Idee von der perfekten Form, die wieder aufersteht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false