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Synchron, auch ohne Blickkontakt. Isata und Sheku Kanneh-Mason.

© Jake Turney

Das Duo Kanneh-Mason im Kammermusiksaal: Fühlst du auch, was ich fühle?

Bruder Sheku ackert leidenschaftlich, Schwester Isata bleibt kühl: Das Duo Kanneh-Mason erntet frenetischen Beifall.

Musizierende Geschwister – da fallen einem natürlich zuerst Nannerl und Wolfgang Amadeus Mozart ein oder Fanny und Felix Mendelssohn-Bartholdy. Und aus dem aktuellen Konzertbetrieb Carolin und Jörg Widmann sowie jede Menge Klavierduos, die Jussen-Brüder, die Labèque, die Önder- sowie die Dörken- Schwestern. In der Familie Kanneh-Mason musizieren sogar alle sieben Kinder. Sie können also ganz im Geiste des 19. Jahrhunderts Hausmusik machen – oder auch in der TV-Show „Britain’s got talent“ die ganze Insel begeistern.

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Die beiden begabtesten Kanneh-Masons, Sheku, der bei der Hochzeit von Harry und Meghan mit seinem Cellospiel Millionen rührte, und die Pianistin Isata haben gerade eine USA-Kanada-Tour hinter sich und sind jetzt in Deutschland unterwegs. Ihr Auftritt im Berliner Kammermusiksaal bringt am Samstag ein 1000- köpfiges, außergewöhnlich bunt gemischtes Publikum zusammen.

Shekus Cello-Ton ist nicht schön im konventionellen Sinne, alles Üppige, Schwelgerische geht ihm ab, klanglich wäre er – im Theaterjargon gesprochen – eher ein Charakterdarsteller als ein jugendlicher Liebhaber. Zu Beethovens vierter Cellosonate passt das nicht so gut, zumal es hier auch noch Probleme bei der akustischen Balance zwischen den Geschwistern gibt, der Flügel durchgehend dominiert. Bei Schostakowitsch aber sorgt seine Spielweise sofort für emotionale Dringlichkeit: Leiden und Scherz, Bitterkeit, nur gelegentlich Inseln melodischer Seligkeit – es ist eine biografische Interpretation, denn der Komponist litt ja schrecklich unter dem Sowjetregime.

Sehr unterschiedliche Persönlichkeiten

Gleichzeitig wird auch klar, dass Bruder und Schwester künstlerisch sehr unterschiedliche Persönlichkeiten sind: Er ackert leidenschaftlich, muss sich oft den Schweiß von der Stirn wischen, Isata dagegen ist auch in den virtuosesten Passagen nie anzumerken, dass Kunst schwere Arbeit sein kann. Stets bleibt ihr Spiel klar und elegant, allerdings auch ein wenig neutral, unparteiisch.

Im extrem anspruchsvollen Programm folgen jetzt Werke aus Großbritannien: Ein starker Erzählstrom entsteht in der 1917 vollendeten Sonate von Frank Bridge, das Duo findet hier zur maximalen Fokussierung. Den Pizzicato-Satz in Benjamin Brittens Opus 65 zupft Sheku mit der Lässigkeit eines Jazz-Bassisten, in der „Elegia“ ist er aber sofort wieder hochkonzentriert, lauscht aufmerksam den eigenen Tönen nach. Für den frenetischen Beifall bedanken sich die Geschwister mit „Deep River“ von Samuel Cooleridge-Taylor (1875 – 1912), einem der ersten schwarzen Komponisten, die sich Anerkennung in der Klassikszene erkämpfen konnten. Frederik Hanssen

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