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Das Doppelleben der Dinge: Zum 80. des Bildhauers Claes Oldenburg

Er sei ein "einsames Kind" gewesen, hat Claes Oldenburg einmal gesagt. Im Büro seines Vaters, eines schwedischen Diplomaten, spielt er mit Schreibmaschine, Telefon und Radiergummi.

Für den erwachsenen Künstler werden die amerikanischen Städte, erst Chicago, dann New York, zum Spielzimmer. Er nutzt die Hydranten, Zigarettenkippen und Schaufensterauslagen in den Straßen für seine Kunst. Banale Industrieprodukte verwandelt er in ihr Gegenteil und lotet ihre Verführungskraft aus. Billige Elektrostecker baut er in Edelholz nach, Münztelefone hängt er als verknautschte Plastiksäcke an die Wand. Mit Charakter erfüllt, werden die Dinge zu Freunden.

In seinem Selbstporträt stellt sich Claes Oldenburg 1971 als Zauberer und Clown dar, im Kreis von „Gleichgesinnten“ – von lebendigen Objekten, doppelbödig wie er selbst. „Ich möchte Leben schaffen“, lautet die einfachste Erklärung für seine Kunst. Leben sucht der Diplomatensohn zunächst im Dreck der Straße, in den Schmauchspuren der Comics, der Popkultur. Die „Ray gun“ wird sein erstes Alter Ego, die Strahlenpistole aus einem Science-Fiction: Phallussymbol und Talisman. Oldenburg fasziniert die verborgene Erotik der Warenwelt. In den Sechzigern rollt er einen aufblasbaren Lippenstift auf Panzerraupen zum Yale-Campus – ein widersprüchliches Männlichkeitsmonument. Zu dieser Zeit arbeitet der Künstler mit Vinylplanen, die seine erste Frau Pat Muschinsky zusammennäht. Dabei entstehen verführerische weiche Plastiken, die sich jeglicher Zuordnung verweigern und über die Grenze zwischen organischer Form und technischer Konstruktion hinwegsetzen.

Für die documenta 5 entwirft Claes Oldenburg 1972 das Maus-Museum mit einem Gehäuse in Gestalt eines Gesichtes, das Gesicht in Gestalt einer Fassade. Im Innern: verloren gegangene Spielsachen. Aus dieser Erkundung der Architektur entstehen die Großprojekte – seit 1976 in Zusammenarbeit mit der jüngst verstorbenen Kunsthistorikerin Coosje van Bruggen. In „Portrait of Coosje’s Thinking“ hat Oldenburg der geradlinigen Intelligenz seiner zweiten Frau ein Denkmal gesetzt. Die Plastik steht vor dem Krefelder Museum Haus Esters. Eine Zahnbürste mit schneeweißer Zahnpasta balanciert schräg auf dem Rand des Bechers. Coosje van Bruggen bremst allerdings auch Oldenburgs Leidenschaft für Provokation. Die Spitzhacke in Kassel, die Krawatte, die vor einer Frankfurter Bank Kopfstand macht: diese späten Monumente sind populär, aber nicht Pop. Simone Reber

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