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Der britische Dirigent Daniel Harding

© AFP/Christophe Archambault

Daniel Harding und das Orchestre de Paris: Eine kleine Einigkeit

Daniel Harding und das Orchestre de Paris sind zu Gast in der Philharmonie. Mit einem herausragenden Antoine Tamestit an der Viola.

Lange bleiben sie nicht mehr zusammen, Daniel Harding verlässt das Orchestre de Paris zum Ende dieser Saison. Im Januar hatte der 43-jährige Brite, der außerdem das Schwedische Radiosinfonieorchester leitet und Stammgast unter anderem bei den Berliner Philharmonikern ist, seinen überraschenden Schritt mit unterschiedlichen ästhetischen Auffassungen begründet. Als Chefdirigent weiterarbeiten, das wäre auf die Dauer so, als wolle er die Alpen in den Grand Canyon verwandeln. „Ihre musikalische Natur zu verändern, wäre ein Akt der Zerstörung, und das werde ich nicht tun.“

Von Dissens ist beim Gastspiel in der Berliner Philharmonie mit Beethoven und Berlioz aber nichts zu hören oder zu sehen. Das dunkle, erdige Timbre der Pariser steht Beethovens 6. Symphonie gut an, und das für Harding so typische schwungvolle, integrative Dirigat passt bestens dazu. Das Ergebnis ist eine naturbelassene Pastorale mit weiten englischen Landschaften, luftigen Höhen und rundgeschliffenen Bachkieselsteinen, der es gelegentlich an Binnendifferenzierung mangelt – schließlich haben manchmal auch die Mittelstimmen das Sagen. Aber das ist wohl der Preis für das ungemein harmonische Zusammenspiel. Das aparte, zunächst vom Fagott angestimmte Seitenthema in der „Scene am Bach“, die Kadenz mit Nachtigall, Wachtel und Kuckuck und all die übrigen solistischen Holzbläser-Passagen sind eingebettet ins malerische Gesamtbild. Noch die derbe Dorfkapellen-Karikatur des dritten Satzes bleibt restkultiviert.

Auf Beethoven folgt „Harold in Italien“, Hector Berlioz’ Symphonie mit Solo-Bratsche. Antoine Tamestit huscht erst kurz vor seinem Einsatz auf die Bühne, gesellt sich zur Harfe und zettelt einen Pianissimo-Dialog mit ihr an, taucht zum Pilgerzug im zweiten Satz hinter dem Orchester auf, spielt am Ende hoch oben von der Orgelempore. Ein Poser, ein Selbstdarsteller? Warum nicht. Tamestit bringt Bewegung in die Musik, betont den tänzerischen Charakter des Werks und treibt das Orchester vor sich her. Nicht immer zeigen sich die Pariser den rhythmischen Finessen und agogischen Nuancen des Bratschisten gewachsen. Den Gemütsschwankungen des titelgebenden Protagonisten, den wild gezackten Tutti-Passagen oder auch den Oktav-Tremoli zu wuchtigen Posaunen im Finalsatz hätten klarere Konturen und Kontraste gut angestanden.

Ein Abend mit populärer Programmmusik, mit Naturlauten, Serenaden, Ländlern und reichlich Volksliedgut. So viele Bordun-Quinten! Dass „Harold in Italien“ auch ein von sehrender Chromatik und ins Leere mündenden Abwärtsmotiven durchsetztes Psychogramm eines Zauderers ist, vergisst man beinahe. Antoine Tamestit bringt es in Erinnerung. Weniger durch seine theatrale Ader als mit seiner Stradivari-Viola, die alle Sinne zu wecken versteht.

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