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Cyrano (Peter Dinklage) schwärmt heimlich für seine Freundin Roxanne (Haley Bennett).

© Universal Pictures

„Cyrano“ im Kino: Freak reimt sich auf antik

In Joe Wrights Musical-Verfilmung von „Cyrano“ spielt Peter Dinklage den romantischen Einflüsterer. Die neueste Adaption will Klassismus und Rassismus überwinden.

Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. Eine Binsenweisheit, erst recht, wenn es um Liebe auf den ersten Blick geht: Als die normschönen Menschen Roxanne (Haley Bennett) und Christian (Kelvin Harrison Jr) sich zum ersten Mal sehen, knallt es heftig, aber still. Dem Soldaten Christian passt das gut – er hat’s nicht so mit Worten. Für die literaturverliebte Roxanne jedoch muss man romantisch parlieren. Sie fordert Briefe vom Galan – die dieser sich per Ghostwriter verschafft: den mit Degen wie Feder, mit Worten wie Pfeilen gleichermaßen hochbegabten Cyrano von Bergerac (Peter Dinklage). Ein Mann, der leicht die Sprache für’s Wesentliche findet. Der jedoch unter dem für das Auge Sichtbaren leidet.

In Edmond Rostands 1897 als Theaterstück verfasstem Drama war es die große Nase, die Cyrano subjektiv seinen Freiersmut vergällte. In Joe Wrights Adaption einer Musicalfassung scheitert er an seiner – von ihm als zu gering erachteten – Körpergröße. Denn eigentlich liebt er seine langjährige Freundin Roxanne leidenschaftlich.

Nun muss er die Liebe Christian in den Mund legen und die Geliebte so mit dem falschen Effekt rühmen. Roxannes Problem ist ebenso vielschichtig. Sie ist schön, doch mittellos, und hat qua Geschlecht eine Bürde mehr zu tragen: Die drohende Armut kann sie ausschließlich durch eine Heirat abwenden. Der fiese Herzog de Guiche (Ben Mendelsohn), der ihr den Hof macht, wäre eine strategische, aber quälende Lösung.

Es ist ein modernes Problem, dass indirekt über Briefe – oder SMS, Whatsapp, Twitter – geäußerte Worte nicht unbedingt aussagen, wie der Absender tatsächlich ist; sogar missverständlich sein können. Was Rostand als Botschaft in der Geschichte versteckte – dass ein ebenmäßiges Äußerliche nicht mit einem ebenmäßigen Charakter gleichzusetzen ist – , würde man heute anders lösen: Aus Christians sprachlichem Unvermögen würde man keine Charakterschwäche mehr konstruieren, er bekäme die Sympathien, eben weil er als „dumm“ gilt. (Dass eine Person of Color den Part des sprachlich inkompetenten Verehrers übernimmt, führte zu Kritik, in der allerdings die Geringschätzung von Menschen steckt, die mit Worten weniger versiert sind.)

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Wright geht es auch um Cyranos kümmerliche Eigenwahrnehmung: Vielleicht wäre Roxanne ihm ja von Anfang an zugetan gewesen, hätte er nur mehr Selbstbewusstsein. Peter Dinklage gibt den nach außen sicheren, innen lodernden Cyrano dabei verlässlich, spielt die selbstzerfleischende Treue des traurigen Helden mit Verve und garniert seine Fechtszenen mit Reimen: „You’re a Freak!“ – „The insult is antique!“

Allein der Gesang passt nicht in die Professionalität seines Spiels: zu cool, zu lustlos, um zu überzeugen, seine voluminöse Sprechstimme klingt beim Singen, als ob er es selbst nicht ernst nimmt. Die übrigen Darsteller:innen spielen und singen dagegen hingebungsvoll. Und wer keine Angst vor einer diskutablen Kate-Bush-Clip-Ästhetik hat, kann gewiss auch dem artifiziellen Setting inklusive absurder Tanzszenen mit baguettewedelnden Bäcker:innen etwas abgewinnen. Man sollte eh öfter mit dem Brot tanzen. (In elf Berliner Kinos, auch OmU)

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