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Herzlichen Glückwunsch! Szene vom Auftaktkonzert am Freitag im UdK-Konzertsaal.

© Daniel Nartschick

Crescendo-Festival der UdK: Denke, Künstler, glänze nicht

Die Musikfakultät der Berliner Universität der Künste feiert ihren 150. Geburtstag – und Gründungsdirektor Joseph Joachim.

Er war die Anne-Sophie Mutter seiner Zeit. Den Status als Geigenstar konnte ihm höchstens einer streitig machen: Pablo de Sarasate. Aber der war ein reiner Schön- und Schnell-Spieler, ein Vertreter des zirzensisch-zirkushaften Virtuosentums, und kein humanistisch gebildeter Künstler, der sich auch für den Kontext interessiert, in dem die Werke entstanden sind, die er interpretiert.

Joseph Joachim, 1831 in der Nähe von Bratislava geboren, als Wunderkind gefeiert und in Wien klassisch ausgebildet, hatte das Glück, früh Felix Mendelssohn Bartholdy zu begegnen. Der Komponist ebnete dem 13-Jährigen den Karriereweg, in dem er ihn als Solisten fürs Gewandhausorchester engagierte und dann auf eine Tournee in die Weltkulturmetropole London mitnahm.

Durch Mendelssohn lernte Joseph Joachim aber auch die Musik Bachs lieben, dessen Solowerke für Violine als öffentlich unaufführbar galten. Und als er 1869 zum Gründungsdirektor der „Königlichen Akademischen Hochschule für Musik“ in Berlin ernannt wurde, orientierte er sich am Leipziger Vorbild, wo Mendelssohn schon 1843 einen Studiengang etabliert hatte, der angehende Instrumentalisten nicht aufs Handwerk reduzierte, sondern sie zu intellektuellen, reflektierten Persönlichkeiten formte.

Ein Glücksfall für Berlin

Joseph Joachim, der die neue Hochschule bis 1907 leitete, war ein Glücksfall für die in musikalischen Belangen damals sehr bescheidene preußische Hauptstadt. Und darum feierte die Universität der Künste ihn jetzt auch gebührend, als Zentralgestalt ihres alljährlichen Crescendo-Festivals: Mag die Musik mittlerweile nur noch eine Fakultät unter vielen an der UdK sein, sie war die Keimzelle der Institution. Bis zum 25. Mai präsentiert sie sich in ihrer ganzen Vielfalt, mit 28 Konzerten, von denen die meisten bei freiem Eintritt im Joseph-Joachim Konzertsaal in der Bundesallee stattfinden. Die Hochbegabten aus der Klasse der Jungstudierenden sind ebenso dabei wie der Musikkabarettist Bodo Wartke, ein Alumnus. Am 16. Mai malen Studierende der Bildenden Kunst live zu Klängen von Debussy und Prokofjew, es gibt Experimentelles auf historischen Synthesizern, das Antrittskonzert des neuen Professors Danjulo Ishizaka, und am heutigen Sonntag berichtet der langjährige Tagesspiegel-Kritiker Albrecht Dümling von den Aktionen, die er 1969 mit Kommilitonen organisierte, um die allzu betulich geratene 100-Jahr-Feier der Musikabteilung aufzumischen.

Zum Auftakt aber hat die UdK am Freitag in ihren größten Veranstaltungsort geladen, in die vorbildlich renovierte Fünfzigerjahre-Halle an der Hardenbergstraße. Inhaltlich ergiebig, aber von erschreckend rhetorischer Dürftigkeit sind die Grußworte, die Susanne Fontaine und Norbert Palz als Vertreter des Präsidenten halten – obwohl sie als Lehrende das freie Reden doch gewohnt sein müssten. Dann kommt endlich das Symphonieorchester der UdK auf die Bühne. Als Gastdirigent führt Stefan Sanderlig das Ensemble durch Joseph Joachims „Ouvertüre in Memoriam Heinrich von Kleist“. Wie viele ausübende Künstler des 19. Jahrhunderts hat nämlich auch er komponiert, unter dem stilistischen Einfluss seiner engen Freunde Robert Schumann und Johannes Brahms. Dicht gearbeitet ist der Tonsatz, feinfühlig-melancholisch die Stimmung, doch auf Dauer bleibt Joachims Kleist-Ouvertüre zu kontrastarm, um sich im Gedächtnis festzusetzen. Da macht Franz Schrekers Vorspiel zu den „Gezeichneten“ mehr Effekt, mit schillernden Klangfarben und einem schnell erreichten, rauschhaften ersten Höhepunkt. Begeistert schwelgt das Orchester in diesem hollywoodhaften Sound von 1913, der später Generationen von Filmmusikkomponisten inspiriert hat. Schreker war ab 1920 Joachims Nachnachfolger auf dem Direktorenposten, doch schon 1932 wurde er wegen seiner nichtarischen Herkunft abgesetzt. Drei Jahre später stürzte ein SA-Trupp in der Hochschule dann auch die beiden Büsten des ebenfalls jüdischen Gründungsdirektors vom Sockel.

Warum Brahms' Zweite?

Im Eröffnungskonzert folgen leider keine weiteren Werke prägender Persönlichkeiten der Institution, sondern Brahms’ 2. Sinfonie. Pädagogisch mag das sinnvoll sein, weil die angehenden Profis das klassische Kernrepertoire, das ihnen im Orchesteralltag begegnen wird, ja bereits im universitären Schutzraum ausprobieren sollen. In einer Stadt wie Berlin allerdings, wo sich die Spitzenorchester mit Brahms-Zyklen gegenseitig überbieten, ist es eher von dokumentarischem Wert, wenn ein solider Kapellmeister wie Stefan Sanderling mit den jungen Leuten die Grundzüge einer Interpretation erarbeitet – mögen sie auch noch so ernsthaft und engagiert bei der Sache sein.

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